In einem guten Monat findet die Verleihung der kleinen goldenen Statuen statt, das Popblog kommentiert die Nominierungen und wagt erste Prognosen ob der Siegchancen.
Bester Film
Nominiert:
Babel, Little Miss Sunshine, The Departed, The Queen, Letters From Iwo Jima
Die Überraschungen:
Die größte Überraschung ist die Nichtnominierung des Golden-Globe-Gewinners Dreamgirls, der allenthalben als Geheimfavorit auf den Sieg angesehen wurde. Dreamgirls darf sich trösten mit acht Nominierungen der meistnominierte Film dieser Verleihung zu sein, eingesammelt allerdings allesamt in unbedeutenden Kategorien (allein drei in der Kategorie „bester Song“). Enttäuschte Gesichter dürfte es auch im „Bobby“-Lager geben: 80er-Jahre-Schauspielikone Emilio Estevez kehrte mit dem Film über den ermordeten Robert Kennedy erstmals nach 10 Jahren wieder auf den Regiestuhl zurück und erntete dafür in den USA begeisterte Kritikerstimmen – für eine Nominierung der Academy reichte es jedoch nicht. Clint Eastwood darf sich mit der Nominierung des anspruchsvolleren und komplett in japanisch gedrehten Kriegsfilm „Letters From Iwo Jima“ trösten, dass der eigentlich als Favorit geltende, aber in Kritikerkreisen nicht allzu freundlich aufgenommene „Flag Of Our Fathers“ (der die gleiche Geschichte aus US-Perspektive erzählt) nicht genannt wurde.
Mehr oder minder erwartungsgemäß übergangen wurden die Komödien „Der Teufel trägt Prada“ und „Borat“.
Wer wird gewinnen?
Es ist ein relativ offenes Rennen, weil in diesem Jahr kein Film überragt, sondern überall Makel zu finden sind. „Letters From Iwo Jima“ (gänzlich) und „Babel“ (zum Teil) sind fremdsprachig – ein Manko, das noch nie ein Film in der Geschichte der Academy Awards überwinden konnte um mit dem Hauptpreis nach Hause zu gehen. „Little Miss Sunshine“ ist eine kleine Independent-Komödie und damit normalerweise das Gegenteil von Oscar-Material. „The Departed“ als relativ harter Cop-Thriller wäre in einem normal starken Jahr auch wohl kaum mit einer Nominierung bedacht worden. Bleibt „The Queen“ als Außenseiter und Geheimfavorit, der dem Film mit dem klarsten Oscarpotential (aufgrund der der Geschichte innewohnenden Epik und Dramatik) „Babel“ die Auszeichnung streitig machen könnte. Eine Vorhersage gestaltet sich in dieser Hauptkategorie jedoch wahrlich schwer: Babel vor The Queen und The Departed, Little Miss Sunshine als Außenseiter, Letters From Iwo Jima wohl ohne Chance.
Beste Regie:
Nominiert:
Paul Greengrass (“Flug 93”), Clint Eastwood (“Letters From Iwo Jima”), Stephen Frears (“The Queen”), Alejandro Gonzalez Inarritu („Babel“), Martin Scorsese (“The Departed”)
Die Überraschungen:
Wie in der Bester-Film-Kategorie fehlen auch hier die früh in der Filmsaison als etwaige Sieger gehandelten „Dreamgirls” (Bill Condon) und „Flag Of Our Fathers“ (Clint Eastwood). Ebenfalls etwas enttäuscht kann das Regie-Tandem Jonathan Dayton und Valerie Faris sein, die für ihren Debütfilm Little Miss Sunshine zwar in der „Bester Film“-Kategorie, nicht aber unter Regie persönlich anerkannt wurden.
Wer wird gewinnen?
Die zweite Hauptkategorie der Oscarverleihung spiegelt gewöhnlich die Filmnominierungen. Auch in diesem Jahr sind vier Nominierungen mit „bester Film“ identisch, lediglich Paul Greengrass darf sich für den 9/11-Film „Flug 93“ über eine Nennung freuen (Oliver Stones pathetischer „WTC“ hingegen wurde in jeder Kategorie ignoriert). Greengrass gilt damit auch als chancenlos auf die Auszeichnung, doch die anderen vier müssen beachtet werden. Eastwood wird wohl kaum ein zweites Jahr in Folge und ein drittes Mal insgesamt mit dem Regie-Oscar bedacht werden, so dass der zum ersten Mal seit 16 Jahren für „Beste Regie“ nominierte Stephen Frears, der Mexikaner Alejandro Gonzalez Inarritu (für „Babel“) und der große alte Mann des amerikanischen Kinos, Martin Scorsese („The Departed“) das Rennen unter sich aus machen werden. Inarritu hätte die Auszeichnung für den komplexen und schwer zu führenden Film „Babel“ wohl mehr verdient als Scorsese mit dem nur leidlich gelungenen, unoriginellen Remake „The Departed“, doch dürfte Marty zum Vorteil gereichen, dass wohl kaum einer der wahlberechtigten Academy-Mitglieder das superiore asiatische Original „Infernal Affairs“ gesehen hat.
Zudem wurde Scorsese bereits acht Mal übergangen (zwei mal davon allerdings für bestes Drehbuch), so dass ein gewisser Mitleidsbonus sicherlich auch eine Rolle spielen wird. Bizarr genug wäre es trotzdem, wenn ein Regisseur bei Meilensteinen der Filmgeschichte wie „Taxi Driver“ (damals nicht einmal nominiert!), „Wie ein wilder Stier“ und „GoodFellas“ übergangen, aber dann für ein selbst in der eigenen Filmographie nur mittelmäßiges Werk wie „The Departed“ mit dem höchsten Preis der Filmindustrie ausgezeichnet wird.
Trotzdem: Scorsese, der auch den Golden Globe gewann, ist der große Favorit vor Inarritu und dem Außenseiter Frears.
Bester fremdsprachiger Film:
Nominiert:
Das Leben der Anderen (Deutschland), Water (Kanada), Indigenes (Algerien), Pan’s Labyrinth (Mexiko), After The Wedding (Dänemark)
Die Überraschungen:
Das Fehlen von Pedro Almodovar, der 2003 gar Bestes Drehbuch für den spanischen Film „Sprich mit ihr“ nach Hause nehmen konnte, ist eine der Sensationen der Nominierungsrunde. Sein neuer Film „Volver“ galt als Topfavorit in dieser Kategorie, was auch die Nominierung von Penelope Cruz als beste Hauptdarstellerin in eben „Volver“ zeigt.
Wer wird gewinnen?
Es wird wohl alles auf „Pan’s Labyrinth“ von Guillermo Del Toro hinauslaufen, der in einer fantastischen Eskapismusgeschichte von der Franco-Diktatur erzählt und damit auch eine Nominierung für bestes Drehbuch einheimsen konnte. „Das Leben der Anderen“ darf sich über die Nominierung freuen und kann eventuell mit seiner Aufarbeitung des DDR-Regimes in den USA Punkte sammeln. Ganz abschreiben sollte man Florian Henckel von Dunnersmarcks gelungenen Film demnach nicht, überlegt man sich vor allem wie viel besser „Das Leben der Anderen“ als der letzte deutsche Sieger „Nirgendwo in Afrika“ ist.
Folge 2: Die Darstellerkategorien