vonChristian Ihle & Horst Motor 31.01.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Als John Harris vor einigen Jahren das Buch „The Last Party – Britpop, Blair and the demise of British Rock“ schrieb, war Blurs Damon Albarn neben Jarvis Cocker und den Gallaghers selbstverständlich die zentrale Figur. Zwar entwickelte sich Albarn wieder einmal nicht zu einem Sympathieträger in den Interviewfetzen und Anektödchen, doch konstatierte Harris in seinem Resumee, dass Albarn das Genie der Brit-Pop-Generation sei, dessen Songwriting-Künste Bestand haben werden.

Harris wusste damals noch nichts von „Gorillaz“ und „The Good, The Bad & The Queen“ konnte er nicht einmal erahnen. Doch jetzt, nachdem Albarn neben seiner immer noch überaus experimentierfreudigen Hauptband eine noch erfolgreichere Popmaschine („Gorillaz“) und eine Supergroup namens „The Good, The Bad & The Queen“ als weitere Projekte anschob, erscheinen Harris Worte nur noch prophetischer.

In einer Zeit mit dem Soundtrack „iTunes killed the album star“ ist es eine Freude zu hören, wie Damon Albarn mit „The Good, The Bad & The Queen“ ein Pladoyer für das Prinzip Album in elf Songs abliefert. Diese Platte hat keinen einzigen Hit, keine einzige logische Single und doch wirkt sie als Ganzes so formvollendet wie kein Werk der letzten zwölf Monate. Das beste Beispiel sind die beiden Single-Auskopplungen: das Debütstück „Herculean“, das man zwar seit Monaten kennt, aber nun erst im Albumkontext einen Sinn ergibt und all seine Größe ausspielt oder der poetische Protest-Folksong Kingdom Of Doom („drink all day / ’cause the country’s at war“), der ebenso wenig für sich allein genommen auf einem Videoclipsender funktionieren könnte, aber gemeinsam mit den neun anderen Songs ein Bild Englands zeichnet, in dem man sich verlieren kann.

Dass die Band eine Supergroup ist, dass Tony Allen von Fela Kuti am Schlagzeug sitzt und Simon Tong von den späten Verve die Gitarre bedient, ist dabei eigentlich nicht relevant. Wenn überhaupt jemand außer Albarn entscheidendes zu diesem Album beitrug, dann vielleicht die Bass-Legende Paul Simonon von The Clash, deren Geist dieses Album noch am ehesten durchweht. Unverzichtbar allerdings an den Produktionsknöpfen Albarns Partner in Crime, Danger Mouse (Gnarls Barkley), der mit ihm gemeinsam bereits das letzte Gorillaz-Album fertigte, hier ein weiteres Meisterwerk vollbringt und die Folk-, Dub- und The Specials-Anklänge zu einem in sich geschlossenen Ganzen verdichtet.

Musikalisch ist „The Good, The Bad & The Queen“ mit den ruhigen Songs und dem Rummelplatzska der späten Blur-Alben zu vergleichen, weil auch hier Albarns Stimme wieder den gleichen Weltenschwermut trägt, aber letzten Endes gibt es derzeit keine andere Band, die dieser Albarn Vision ähnelt.

John Harris darf sich bestätigt fühlen: während Jarvis nach langer Pause schöne Lieder für die Bekehrten singt und die Gallaghers unablässig ihre b-Seiten von 1996 aufwärmen, ist Albarn seinen Zeitgenossen mehrere Schritte voraus – und das gleich in verschiedenen Richtungen. Dass er auch noch mit einem üblicherweise zum Scheitern verurteilten Supergroup-Projekt reüssiert, macht das Ganze nur noch bemerkenswerter.

The Good, The Bad & The Queen – giving supergroups a good name since 2007.

Anhören!
* The Good The Bad & The Queen
* Herculean (hier)
* 80ies Life

Christian Ihle

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