Klaxons – Myths Of The Near Future
Mehr oder minder eigenhändig sind die Klaxons für den Irrsinn verantwortlich, der in England derzeit unter dem Namen New Rave kursiert. Allen schnellen Vorverurteilungen zum Trotz waren die Lobeshymnen auf die drei jungen Briten bisher auch gerechtfertigt: eine ganze handvoll wahrlich fantastischer Singles (Atlantis To Interzone, Gravity’s Rainbow, Magick, Golden Skans) veröffentlichten sie im Laufe der letzten 12 Monate. Doch nun, wo es darum geht, die Wildheit der Singles auf Langspielplatte zu transferieren, scheitern sie. Außer „Totem On The Timeline“ ist kein einziger vorab nicht veröffentlichter Song auf dem bisher bekannten Niveau. Schade, aber im Wesen des New Rave scheint eben mehr die Kurzlebigkeit und Euphorie des Moments verankert zu sein. Die Singles sind die Wildheit der Nacht, die Langspielplatte der Hangover des nächsten Morgens. MDMAzing? Leider nicht.
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* Atlantis To Interzone (hier)
* MagicK
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* Atlantis To Interzone (EP-Version)
– Klaxons MySpace
– Klaxons in der Jahresvorausschau des Popblog
!!! – Myth Takes
Sozusagen eine Generation älter als die Klaxons sind die New Yorker Punkfunks von !!! (sprich: „Tschk-Tschk-Tschk“). Vor vier Jahren veröffentlichte die siebenköpfige Band die Neun-Minuten-Single „Me And Giuliani Down By The Schoolyard (A True Story)“, die mit „Losing My Edge“ (LCD Soundsystem) und „House Of Jealous Lovers“ (The Rapture) bis heute die Referenz schlechthin im Punk-Dance-Bereich ist und vom NME als „Fool’s Gold der Punkfunkgeneration“ betitelt wurde. Das neue Album kann zwar nicht ganz an dieses Tanzflächenmonster anknüpfen, ist aber durch und durch gelungen. Einziges Manko der Jungs von der Ostküste ist, dass sie auf Platte prinzipiell kühler und zurückgenommener klingen als bei ihren Liveshows, die zum Besten gehören, was das Genre zu bieten hat.
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* All My Heroes Are Weirdos
* Myth Takes
Bromheads Jacket – Dits From The Commuter Belt
Ein halbes Jahr nach der ursprünglichen Veröffentlichung auf der Insel erscheint das Debütalbum von Bromheads Jacket gerade rechtzeitig vor dem Zweitwerk der befreundeten Arctic Monkeys doch noch in Deutschland. Die drei Sheffielder teilen sich nicht nur die Heimatstadt mit last years next big thing, sondern auch Sound und textliche Herangehensweise („I’ve got nothing against Freddie Mercury but do you have to play his entire discography?”). Allerdings ist bei Bromheads Jacket alles etwas wilder, ungeordneter und rumpeliger als bei den Monkeys, was aber bei uns Punks bekanntlich nie schadet. Die beiden hervorragenden frühen Singles „Lesley Parlafitt“ (eineinhalb Minuten pure Freude!) und „What Ifs & Maybes“ ragen natürlich heraus, aber auch der Rest des Albums ist das beste, was wir von Arctic-Monkeys-Copycats bisher gehört haben.
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* Lesley Parlafitt (hier)
* What Ifs & Maybes (Download)
The View – Hats Off To The Buskers
The Libertines beherrschen posthum die britische Gitarrenlandschaft und die unverschämt jungen Schotten von The View sind das beste Beispiel. Sie spielen eine domestizierte Pop-Variante der Barat/Doherty-Geschichte, die ihnen bereits eine Nummer-2-Single („Same Jeans“) und ein Platz-1-Album in England einbrachte. Anfängliche Skepsis ob der Verwässerung des libertinschen Ansatzes weicht allerdings aufgrund der tatsächlich unwiderstehlichen Melodien schnell einer positiven Einstellung. Mögen The View auch noch so viel mit Doherty Crack rauchen, dessen lyrische Raffinesse scheint jedoch nicht abzufärben. Dundees Finest können dem lieben Gott danken, ein Händchen für Popmelodien zu haben, so dass man nicht genötigt ist, Texten über vier Tage am Stück getragene Jeans oder – absoluter Tiefpunkt – heroinsüchtige Scensters („Skag Trendy“) wirklich zu folgen.
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* Wasted Little DJs (hier)
* The Don (hier)
– The View MySpace
– The View in der Jahresvorausschau des Popblog
Christian Ihle
[…] Ärgerlich war jedoch, dass ausgerechnet die Klaxons die Erwartungen mit ihrem Debütalbum nicht erfüllen konnten: eine einfache Aneinanderreihung der frühen Singles, die nur von Stücken unterbrochen wurde, die vorher zurecht nicht auf der b-Seite gelandet waren, machen eben noch keine „Neon Bible“. Umso überraschender, dass die schottischen Nachzügler Shitdisco den drei jungen Londonern nun zeigen, wie man New Rave auf Albumlänge buchstabiert. […]