vonChristian Ihle & Horst Motor 18.04.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Kinostart: 19. April 2007

Als Danny Boyle vor gut zehn Jahren „Trainspotting“ in die Kinos brachte, war er mehr oder minder eigenhändig für die Wiedergeburt des britischen Films zuständig. Vier Jahre später floppte jedoch „The Beach“, das erste richtige Hollywood-Werk des Briten, so dass seine bis dahin stetig nach oben führende Karriere ins Stocken geriet bis Boyle ausgerechnet auf dem nun wirklich zu Tode beackerten Feld der Untoten-Filme mit dem brillanten „28 Days Later“ reüssierte.

Das Geheimnis von „28 Days Later“ lag darin, dass er entgegen der Erwartungen arbeitete. „28 Days Later“ war, wenn auch höllisch spannend, eben kein Reißer, kein Schocker, sondern eine fast melancholische Betrachtung über das Ende der Menschheit, die folgerichtig auch nicht Zombies, sondern das Tier Mensch letzten Endes anklagte.

Deshalb ist auch Boyles erster Ausflug in das Science-Fiction-Genre mit Spannung erwartet worden. “Sunshine“s nun wirklich tumbe Geschichte, dass das letzte Lichtlein auf der Erde bald verlöschen werde, weil die Sonne kaum noch Strahlen sendet und deshalb ein Raumschiff in Richtung Sonne fliegt, um unseren Stern wieder zu entzünden ist, nun ja, wie sagt man’s nett, nicht der besten eine. Im schlimmsten Fall erinnert sie an das Hilary-Swank-Vehikel „The Core“, das an Dummheit selbst das Kometen-Spektakel „Armageddon“ noch spielerisch in die Schranken verwies.

Doch Boyle gelingt wie schon bei „28 Days Later“ wieder etwas ganz wunderbares: er verweigert sich dem klassischen höher, schneller, weiter – Anspruch des Genres und präsentiert eine manchmal atemberaubend schöne Meditation über das Ende der Welt. „Sunshine“ ist trotz des fragwürdigen Plots viel mehr „2001“ oder „Solaris“ als „Armageddon“, Gott sei Dank.

Die Crew der „Icarus 2“ (ja, wer die griechische Mythologie kennt, wird mit Vorsprungswissen belohnt) fliegt der sterbenden Sonne entgegen. Wir lernen die Crewmitglieder erst auf dem Schiff kennen, werden mit ihnen der Sonne entgegengeschleudert. Das Rätsel, was mit der vorherigen Expedition mit gleichem Auftrag, der „Icarus 1“, geschehen ist, teaminterne Spannungen ob des monatelangen Eingepferchtseins auf dem Raumschiff, Klaustrophobie und letzten Endes die menschliche Fehlbarkeit begegnen ihnen auf ihrem Weg zum Zentrum unseres Sternensystems.

Boyle nimmt dies lediglich als Rahmenhandlung, um Fragen über das Leben, unsere Existenz und – natürlich – letzten Endes auch eine Existenz Gottes zu stellen, die er auf ganz eigene Art beantwortet. Oder eben auch nicht.

Würde „Sunshine“ nicht für eine halbe Stunde in „Alien“-Terrain (ohne, nun ja, Alien) abdriften, wäre Boyle ein annähernd perfekter Film gelungen. Die Atmosphäre wird so aber zerrissen und „Sunshine“ benötigt einige Zeit um sich wieder davon zu erholen. Trotzdem: „Sunshine“ ist intelligentes Science-Fiction-Kino, dessen dumme Grundgeschichte hoffentlich nicht allzu viele abschrecken wird. Denn das Drehbuch von Alex Garland begibt sich willfährig auf ein Terrain, auf dem es nur verlieren kann: das klassische Publikum, das von dieser Geschichte angelockt wird, wird mit Sunshines meditativem Existenzialismus nichts anfangen können wie auch andererseits das Publikum, das diesen Film tatsächlich genießen könnte, wiederum von der Geschichte abgeschreckt werden wird. Man könnte es das Blade Runner Paradoxon nennen.

Christian Ihle

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2007/04/18/sunshine-regie-danny-boyle/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • So dumm ist die Grundgeschichte auch nicht, aber eben einfach. (Einfache Geschichten müssen nicht schlecht sein, im Gegenteil) Aber darum geht es gar nicht. Viel wichtiger für die Kritik ist, festzustellen, ob die Geschichte funktioniert und ob die Plot-Elemente gut zusammenarbeiten. Und ich finde, das tun sie bei Sunshine auf hervorragende und spannende Weise. Auch wenns mal Alien-mäßig wird, passt aber auch gut in die overall-Handlung und ist absolut angebracht. Auch andere Funktionen des Films arbeiten hervorragend: die formal-ästhetische, das Acting, Set-Design, die brillante Cinematografie und nicht zuletzt: das absolut hervorragende Sound-Design. All diese Dinge arbeiten Hand in Hand und resultieren in einem brillanten Gesamtkunstwerk. Eine Offenbarung!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert