vonChristian Ihle & Horst Motor 06.07.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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The 1990s – Cookies

Es gibt Bands, deren Geschichte ist manchmal interessanter als die Musik. Im Fall der 1990s ist es die Geschichte des Sängers Jackie McKeown.

Am besten fängt man da bei seinem Ausstieg aus Yummy Fur an. Die Asche dieser Band kann man heute im Musiklexikon unter dem Stichwort Prä-Franz Ferdinand Phase nachschlagen. Alex Kapranos und Paul Thompson haben mit Jackie Yummy Fur unterhalten. Als es Jackie zu bunt wird, verläßt er kurzerhand das Häufchen Chaos und verzieht sich ins Glasgower Nirgendwo.
Der einsetzende Erfolg von Franz Ferdinand kratzt ihn da schon gar nicht mehr. Stattdessen hängt er mit Homie Michael McGaughrin auf Bäumen ab (!), nimmt an Drogen so ziemlich alles mit, was irgendwie chemisch hergestellt werden kann und landet schließlich in der Backing Band von
CANs Damo Suzuki. Die 1990s existieren nur als Scherz zwischen Jackie und Michael, ein paar spaßige Demos nimmt man auf, mehr nicht. Um Gottes Willen bloß keine richtige Band mehr, denkt sich Jackie. Ausgerechnet bei einer Franz Ferdinand Aftershow-Party werden die beiden von Rough Trade Cheffe Geoff Travis angesprochen und kurzerhand gesigned.

So unvermittel klingt dann auch “Cookies”. Texte über Parties, Rock’n’Roll für Endzwanziger – fertig ist eine Band, die vornehmlich auf Geburtstagspartys von Pete Doherty spielt (!!). Weil alles als Scherz begann, kann sich auf Albumlänge selbstverständlich auch nicht mehr viel
entwickeln. Es ist der Spaß, und nur der Spaß, der Cookies regiert. Das funktioniert super bei “You made me like it”, “Your supposed to be my friend” und “See you at the lights”. Und eigentlich bei allen anderen Songs auch, bloß: irgendwann nutzen sich Glam-Pop und Gossen-Party-Rock ein wenig ab. Da kann auch Bernard Butler (Ex-Suede) auf dem Produzentenstuhl nicht allzu viel richten. Allein: Der Spaßfaktor bleibt und regiert. Das ist doch immerhin schon eine Menge in Anbetracht der Tatsache, dass Jackie McKeown nie wieder in einer Band spielen wollte… (Robert Heldner)

Anhören!
* You’re Supposed To Be My Friend
* You Made Me Like It
* See You At The Lights

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Rocky Votolato

Wie mag es wohl sein, wenn Geschwister Musik machen? Spielen sie zusammen in einer Band, so wie die Gallaghers beispielsweise, kann es zu einem immer fortwährender Drahtseilakt werden. Immer muss man sich messen und vor allem ordentlich raufen, damit auch ja alle etwas davon haben. Ganz schön anstrengend. Bei Rocky Votolato und seinem kleineren Bruder Cody ist das Problem anders gelagert.
Während letzterer mit seiner Chaos Combo Blood Brothers eher Musik für junge Leute macht, die Scheiben zerspringen lässt, ist Rocky Votolato einen komplett anderen Weg gegangen. Das einstige Waxwing Mitglied ist ein Singer/Songwriter im klassischen Sinne und schreibt Musik, die so gar nicht seinem Alter entsprechen will. Ungemein countryeske Folk-Songs komponiert Rocky Votolato, der nun mit gerade einmal 29 Jahren sein mittlerweile sechstes Studioalbum The Bragg & Cuss veröffentlicht.
Und was ist passiert? War das 2006 erschienene Album Makers von einer ziemlich dichten Whiskey-Wolke umgeben, hat sich der Dunst nun etwas verzogen. Deutlich positiver klingt The Bragg & Cuss, was auch an der reichhaltigeren Instrumentierung liegt. Rocky Votolato hat dieses Album zusammen mit einer kompletten Band eingespielt, die seine texanischen Wurzeln offenbart. Und das ist gut so. Während Makers ein bisschen wie ein Aufguss alter Ideen klang, erscheint sein neues Album sehr viel bunter. Raus aus der Hintergrundmusik, rein in die Aufmerksamkeit. Und zwar in mehrerer Hinsicht. Zum einen hört man ihm jetzt wieder zu, dem autobiographisch versetzten Storytelling. Der Einstieg fällt sehr viel leichter, die Platte bietet klare Orientierungspunkte, sie erschließt sich sehr schnell und stellt eines klar: Countryeskes Songwriting ist keine kreative Einbahnstraße. Vielmehr haben wir das Angebot, einem talentierten Songwriter in der Entwicklung seines kreativen Schaffens beizuwohnen. Was könnte spannender sein?
Und was ist mit seinem Bruder? Ich möchte wetten, dass die beiden sich gegenseitig googeln, um zu vergleichen, wer mehr Hits hat. Na ja, oder auch nicht. (Louis Parker)

Anhören:
Before you were born
Your darkest Eyes

www.Rockyvotolato.com
http://www.myspace.com/rockyvotolato

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The Polyphonic Spree

Ladies and Gentlemen, wenn das nicht die richtige Platte zur Jahreszeit ist! Und das Rezept ist so einfach wie genial: Möglichst viel in kürzester Zeit. In diesem Sinne kann man nur sagen, dass mehr Musik einfach nicht geht. Da können andere Kollektive mal einpacken.
Polyphonic Spree waren deshalb immer so anstrengend schön, weil sie Songs schrieben, die ohne jegliche Ruhe auskamen. Nimmt sich das Klavier eine Auszeit, drängelt sich auch schon ein anderes Instrument vom Musikerflohmarkt in den Vordergrund, beispielsweise diverse Flöten. Dabei sind eben die auf „The fragile Army“ glücklicherweise recht selten vertreten. Überhaupt überstrahlt das Album seinen Vorgänger an Raffinesse, Einfallsreichtum und vor allem Wucht um Längen. Der Sound ist schon brachial, ohne Unterlass wird ein Mikro von mindestens zwanzig Leuten gleichzeitig in Stücke gesungen. So klingt das.
Aber das war eigentlich nie anders. Während „Together we are heavy“ aber von einer ebenmäßigen Vehemenz war, deren Reiz schnell abebbte und beinahe einschläfernd wirkte, wenn man sich erst einmal an den Sound gewöhnt hatte, ist „The fragile Army“ nuancenreicher, es lassen sich echte Hits unter all dem Bombast finden. Genial. Diese Band macht schönes Wetter. Mehr denn je! (Louis Parker)

Anhören:
Section 23 (Get up and go)
Section 27 (Mental Cabaret)

http://www.myspace.com/polyphonicspree
http://en.wikipedia.org/wiki/Polyphonic_spree

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https://blogs.taz.de/popblog/2007/07/06/im-plattenladen-im-juni-2-the-1990s-rock-voltato-the-polyphonic-spree/

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