Otto; Or, Up With Dead People
1. Der Film in einem Satz
A Gay Che Guevara Of The Dead
2. Darum geht’s
Der Zombie Otto stolpert mehr oder minder zufällig in die Filmproduktion der antikapitalistischen Medea, die gerade – so ein praktischer Zufall! – ein Zombie-Gay-Porn-Movie dreht.
Bruce LaBruce ist erneut mit einem politischen Avantgarde-Gay-Porno am Start. Technisch setzt er seine absurde Geschichte, die er allerdings nie zur Farce verkommen lässt, als Bricolage um: Porno-Ästhetik, eine DIY-Herangehensweise, Farbe, Schwarz-Weiß, Handkamera und Stummfilmsequenzen stehen gleichberechtigt nebeneinander.
Erstaunlicherweise kommentieren und entschlüsseln die Off-Stimmen zumeist das Leinwand-Geschehen, stellen es in Frage oder affirmieren es. So entsteht ein interessantes Geflecht aus Bildern, Interpretationen von Seiten des Regisseurs selbst sowie nicht interpretierten Bedeutungsebenen, die wiederum dem Zuschauer überlassen werden.
3. Der beste Moment
Als Otto von einer Gruppe Jugendlicher zusammengeschlagen wird, weil er schwul ist und die Soundspur „Atrocities“ von Antony & The Johnsons dazu spielt. Knapp geschlagen von der gut-fucking-Sequenz, in der in expliziten Bildern ein Zombie einen anderen in dessen Magen penetriert (was auch schön die Spannweite des Films zeigt: Exploitation neben berührender Intimität)
4. Diese Menschen mögen diesen Film
Die sich gerne mal eine Kommentarspur auf ihrer Gay-DVD wünschen würden, Filmgeschichte lieben und ein Herz für Außenseiter haben.
* Kanada/Deutschland
* Regie: Bruce LaBruce
* imdb
Nirvana
1. Der Film in einem Satz
Cyberpunk’s Not Dead. Er ist nur in Russland.
2. Darum geht’s
Hübsches junges Mädchen mit irrsinnigem Make-Up zieht von Moskau nach St. Petersburg und landet in einer Wohnung mit einem Junkie-Pärchen. Zunächst schläft sie mit dem Typen namens „Dead Man“, der irrsinniges Make-Up trägt, und kommt deshalb in Schwierigkeiten mit dessen süsser Freundin mit dem irrsinnigem Make-Up (Maria Schalaeva aus „Mermaid“). Dennoch entwickelt sich eine Frauenfreundschaft, die die beiden in den Petersburger Untergrund führt.
„Nirvana“ wirkt komplett aus der Zeit gefallen: solche Nichtgeschichten, die einfach nur fantastisch aussehen, kannte man zuletzt aus dem Frankreich der frühen 80er („Diva“ von Jean-Jacques Beineix oder „Subway“ von Luc Besson). Während Beineix und Besson jedoch Neonröhren in den Film Noir einbauten, ist die Ästhetik von „Nirvana“ eher dem Cyberpunk-Genre zuzuordnen, das sich von William Gibsons Romanen Ende der 80er, Anfang der 90er inspirieren ließ.
Der Film an sich funktioniert oftmals nicht wirklich, schafft aber eine hervorragende Atmosphäre und profitiert von seinem Willen, hinsichtlich Ausstattung, Kostümen und Make-Up absolut over-the-top zu gehen.
3. Der beste Moment
Die beiden Mädchen fahren auf einem Motorrad mit unfassbaren Kleidern und irrsinnigem Make-Up durch ein St. Petersburg, das nur aus wunderschönen alten Gebäuden zu bestehen scheint und der Soundtrack spielt dazu klassische Musik. Bezaubernd.
4. Diese Menschen mögen diesen Film
„Nirvana“ ist der perfekte Film, um ihn ohne Ton an die Wand einer komplett weiß gehaltenen Bar in Berlin zu werfen, von deren Existenz man nur weiß, wenn man schon drin ist.
* Russland
* Regie: Igor Voloshin
3 Dias
1. Der Film in einem Satz
Die letzten drei Tage im Leben der Menschheit – und warum sollte irgendjemand die mit der Jagd nach einem Massenmörder vertrödeln wollen?
2. Darum geht’s
Ein Meteorit schlägt in drei Tagen auf der Erde ein. Alle Rettungsversuche sind fehlgeschlagen, es gibt keine Hoffnung mehr.
Gefängniswachen gehen nach Hause, ein Kindermörder gelangt so in die Freiheit und will sich an seinem damaligen Kontrahenten rächen.
Die Prämisse ist so hervorragend: drei Tage. Dann ist alles vorbei. Kein Bruce Willis, kein Ben Affleck, nur Armageddon.
Aber dann wird ausgerechnet bei dieser Ausgangslage daraus ein konventioneller, wenn auch hervorragend fotografierter Serienkillerthriller gemacht. Warum? Wieso? Es ist zum Kopf an die Wand schlagen!
Es gibt drei Menschen, die in diesem Film ganz offensichtlich nicht wissen, was sie tun: der Mörder (warum mordet er nicht einfach?), der Held (warum erledigt er das Problem nicht früher?) und der Drehbuchautor (warum überhaupt die 3-Tage-Idee, wenn man die komplette zweite Hälfte des Films auch ohne machen könnte?).
Gerade die gelungene Anfangsphase kann einen hier wahnsinnig machen. Völlig unverständlich!
3. Der beste Moment
Die ersten Momente in den Gesichtern der Menschen, wenn die Fernsehansage gesendet wird, dass die Welt in drei Tagen stirbt.
4. Diese Menschen mögen diesen Film
Wen überhaupt keine Logik interessiert, solange nur Kinder sterben und Mörder morden.
* Spanien
* Regie: F. Javier Gutiérrez
* imdb
wobei man natürlich sagen muss, dass es äußerst selten vorkommt, dass ein Programmheft eines Filmfestivals einen eigenen Film nieder macht.
(dass man sich das „gerne anguckt“, weil „stilsicher“ gemacht, dem habe ich auch nie widersprochen – das ist ja mehr mein Problem: 3 Dias sieht viel zu gut aus für seine idiotische Geschichte in der zweiten Hälfte)