vonChristian Ihle 05.09.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Downloading Nancy (USA, Johan Renck)

Mit „Downloading Nancy“ finden wir einen der umstrittensten Beiträge des letzten Sundance-Festivals auch auf dem Fantasy Filmfest wieder. Im Gegensatz zu den normalerweise „problematischen“ FFF-Filmen polarisiert Downloading Nancy keineswegs aufgrund übertriebener Gewaltdarstellungen, sondern wegen der Grundfrage, die hinter allem steht.

Nancy ist ein psychisches Wrack: Als Kind wurde sie missbraucht und lebt nun in einer Ehe, die so kalt und stumm ist, dass ein „Zusammenleben“ im Wortsinn nicht mehr existiert. Nancy fügt sich selbst Schmerzen zu, schneidet ihre Beine und Arme auf, um wieder irgendetwas zu spüren. Der Film denkt diese Spirale der Selbstdestruktion konsequent zu Ende. Wenn Rothenburg uns etwas gezeigt hat, dann, dass der Wunsch nach Selbstauflösung jegliche menschliche Vorstellung sprengen kann. Da sich „Downloading Nancy“ aber dem introspektiven US-Indie-Kino verpflichtet fühlt und einen weiten Bogen um spekulativen Gore macht, erspart es uns eine kannibalistische Lösung. Der so klar zu Ende gedachte Wunsch, nicht mehr leben zu wollen, ist bedrückend genug, dass man nicht auch noch Fleischesverzehr benötigen würde.

Auch wenn man die Konsequenz von „Downloading Nancy“ bewundert, bleibt in der Mischung aus Sterilität und Pathos, die den Film durchzieht, ein Problem. Nicht jedes Bild, das Regisseur Johan Renck in seinem Debütfilm findet, überzeugt, da der Grat zur übertriebenen Symbolhaftigkeit doch arg schmal bei diesem Thema ist. So bleibt „Downloading Nancy“ mehr eine interessante Studie als ein guter Film, der dennoch eine handvoll Szenen bereit hält, die nahe gehen – was besonders der großartigen Maria Bello zu verdanken ist, die eine wahre Tour de Force liefert. (6/10)

imdb

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Dorothy Mills (Agnès Merlet)

Du magst „Das Omen“, den „Exorzisten“ und findest die grünen, erzkatholischen Weiten des irischen Landes ziemlich knorke? Du stehst dazu noch auf Persönlichkeitsspaltungen, überzeichnete Charaktere, doofe Plotentwicklungen und hältst den „Village Of The Damned“-Look für den dernier cri? Dann hereinspaziert, Dorothy Mills wartet.

Das albinohafte Mädchen Dorothy Mills soll angeblich während einer Babysitting-Stunde ein Baby ins Grab gebracht haben. Die eine Hälfte des kleinen irischen Dorfes ist davon überzeugt, den Teufel in Kindsperson vor sich zu haben, wohingegen die andere Hälfte das kleine weißhaarige Mädchen aus rätselhaften Gründen schützt. Eine Psychiaterin soll der Geschichte auf den Grund gehen und verliert sich natürlich a) in den Intrigen der Dorfgemeinschaft, b) im Dunkel, das über Dorothy Mills schwebt und c) der Vergangenheit.

Das ist bisweilen handwerklich recht ordentlich gemacht, wenn nicht die Herren Dämonen mal wieder das Dämon-Sein als Freibrief für wildes Changieren und Grimassieren missverstanden hätten. Zudem verletzt Dorothy Mills die alte Schizophrenie-in-Filmen-Regel: bis zu drei Persönlichkeiten pro Charakter sind ok, spätestens ab der siebten inneren Persönlichkeit wird’s aber Quatsch. (4/10)

imdb

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Crossfire (F, Claude-Michel Rome)

Ein französischer Copthriller, der angenehm altmodisch wirkt. Der kaputte, aber korrekte Cop wird von Paris in die Prärie strafversetzt und räumt im dortigen Polizeirevier erst mal kräftig auf. Nach und nach gewinnen aber doch (fast) alle Kollegen den knurrigen alten Knochen lieb und raufen sich im Kampf gegen das Verbrechen zusammen.

Bis auf die letzte halbe Stunde ist Crossfire sehr gelungen. Die Figuren sind gut gezeichnet, ein klein wenig trockener Humor paart sich mit toughen Momenten und selbst die Aufklärung des Verbrechens ist spannend. Warum allerdings am Ende ein großer Shootout in „Assault On Precinct 13„-Manier erfolgen muss, der dem großen Vorbild natürlich trotz aller Knalleffekte dramaturgisch nicht einmal annähernd das Wasser reichen kann, bleibt ein großes Rätsel und verhindert eine durchweg positive Überraschung. (7/10)

imdb

(alle Texte: Christian Ihle)

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* Einzelkritiken 1: Eden Lake, JCVD, Mirrors
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kommentare

  • ich schrieb doch von introspektivem indiefilm – das heißt ja gerade eben nicht multiplex.
    versuch vs. gelungen:
    dafür dass der film gelegentlich doch dem pathos nicht abgeneigt ist, hat bei mir zumindest keine emotionale ebene erreicht. deshalb hat er dann auch nicht wirklich „funktioniert“. aber anschauen kann man sich Downloading Nancy dennoch.

  • soso, introspektiver amifilm… ich hatte eher den eindruck, dass dieser film ein europäischer sein könnte. er wird nie im multiplex laufen und das ist auch gut so, er hätte keine chance.

    aber möglicherweise wird maria bello für diesen film einen oscar kriegen. und mehr als ein versuch ist er auch, ich fand ihn ziemlich gelungen – nicht zuletzt auch wegen des soundtracks von krister linder.

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