Milk
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1. Der Film in einem Satz
Harvey Milk: Ein Mann, der Männer liebt, kämpft für Menschenrechte. Hat jemand „Bobby“ gesehen? So ungefähr. Nur eben in irre gut.
2. Darum geht’s
Harvey Milk sagt an seinem 40sten Geburstag zwei Dinge: Dass er in seinem Leben noch nichts getan habe, worauf er stolz sei – und dass er nicht wisse, ob je 50 werde. Der Film nimmt im Grunde beides vorweg – gleich in den ersten Minuten wird Milks Tod durch mehrere Schüsse, die auf ihm im Rathaus von San Fransisco, bekanntgegeben.
Und dann erzählt „Milk“ sehr vielfältig, emphatisch und persönlich, wie es dazukommt, dass eben dieser Harvey Milk zum ersten wichtigen schwulen Politiker der USA wurde, erzählt von dieser Zeit zwischen Liberalisierung und Reaktionismus, von der städtischen Subkultur in einem grundkonservativen Land, erzählt welche Werte und persönlichen Erfahrungen es sind, die Milk – und all diese Menschen, die den langen Marsch durch die Institutionen antreten – machen, bis sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Sean Penn spielt dabei Harvey Milk – und das mit einer Bravour, die ohne Weiteres einen Oscar wert wäre. Am Ende sitzt man da im Kino, gerührt, ein bisschen bestürzt und stellt fest, dass es vielleicht doch nicht so selbstverständlich ist, dass ein Herrn von Beust, ein Herr Wowereit und ein Herr Westerwelle (wovon die letzten beiden auch im Kino bei der Premiere zugegen waren) die Ämter innehaben, wie man vielleicht glaubt.
Dass „Milk“ eine wahre Geschichte erzählt und das auf wunderbare, dichte und mitreißende Weise, ist nur das eine. Das Andere ist aber, dass es hier nicht allein um die Schwulenbewegung und ihre Rechte geht – sondern um Menschenrechte, Engagement und die Hoffnung auf ein besseres Leben generell.
3. Der beste Moment
Auch wenn man Pathos nicht mag: Das rührende Ende – weil klar wird, dass es zwar in diesem Film und Harvey Milk geht, aber eigentlich letztlich nicht um einzelne Personen, sondern um das große Ganze: Eine bessere Gesellschaft.
4. Diese Menschen mögen diesen Film
Idealisten.
* USA
* Regie: Gus van Sant
* imdb
The Countess
1. Der Film in einem Satz
Die Prinzessinenphantasie eines 12-jährigen Mädchens plus ein bisschen Draculagrusel und SM-Koketterie
2. Darum geht’s
Im 16. Jahrhundert irgendwo in Österreich-Ungarn: Istvan Thurzo (Daniel Brühl) blickt auf seine hach-so-ewige Liebe zu Erzebet Bathory (Julie Delpy) zurück, die der Vater aus geschäftlichen Interesse zerstört hatte. Der junge Mann, die ältere Frau, die unsterbliche Liebe. Aber hach, es soll nicht sein, der Vater, die Interessen, das Alter der Frau. Da kann man aus Eitelkeit und seit Kindheitstagen eigener Kaltherzigkeit schon mal Mord als Quell des Jungbrunnens in Betracht ziehen.
The Countess ist in jeder Hinsicht eine Beleidigung: Keine der ohnehin arg eindimensionalen Figuren macht über die vielen Jahre, die der Film abdeckt, auch nur den Hauch einer charakterlichen Entwicklung durch. Dem hübsche Naivling („spielt“ Daniel Brühl diese Rolle überhaupt? Oder schaut er nur immerzu niedlich?) geht kein Licht auf, die kaltherzige, aber starke Frau lässt sich nur post-koital aus der Reserve locken usw. usf. Eigentlich ahnt man all dies schon in der dritten Einstellung – als die Kamera von der immensen Landschaft direkt auf die galoppierenden Beine eines Pferdes umschwenkt. Aber nicht nur, dass The Countess vor Klischees nur so tropft – es bleibt auch offen, wie Istvan Thurzo als Erzähler aus dem Off über alles im Bilde ist und selbst die Subjektivität von Geschichte („geschrieben von Gewinnern“, ganz recht) bedenkt, aber als Handelnder davon vollkommen ahnungslos bleibt.
3. Der beste Moment
Immer wenn Anamaria Marinca als Anna Darvulia im Bild ist. Die einzige Figur, die Anzeichen von Tiefe vermittelt.
4. Diese Menschen mögen diesen Film
BWL-Studentinnen, die zwar auf dem geistigen Reifegrad einer 12-Jährigen verharrt sind, aber die Brutalität des Filmes „echt krass“ finden.
* Deutschland
* Regie: Julie Delpy
* imdb
London River
1. Der Film in einem Satz
Rassismus in Zeiten der Terrorismus.
2. Darum geht’s
London 2005, Bombenanschläge auf Bus und Tube versetzen England in Angst und Schrecken und so auch eine verwitwete Mutter, deren Tochter in London lebt und über Tage nicht zu erreichen ist. So bricht die Mutter – Christin – auf, findet die Wohnung leer und fremd vor und tastet sich immer weiter hinein in das Leben der Tochter, von der sie doch so wenig weiß. Die Angst wächst, die Runden zwischen Polizei und Krankenhaus werden immer verzweifelter, als Ousmane, ein älterer afrikanischer Mann, Kontakt mit Christin aufnimmt. Und von Christin kurzer Hand verantwortlich gemacht und bei der Polizei angezeigt wird. Doch so einfach ist es natürlich nicht, die Kinder der beiden kannten sich, stellt sich heraus, und wie gut sie sich kannten und ob Christin und Ousmane bei ihrer Suche nach ihren Kindern nicht doch mehr gemeinsam haben als gedacht – das führt der Film detailiert und vielfacettig aus.
3. Der beste Moment
Immer, wenn Ousmane und Christin aufeinandertreffen. Der verachtende, ruhige Blick des Schwarzen – schaudererzeugend.
4. Diese Menschen mögen diesen Film
Alle, die anspruchsvolles, aber nicht verquastes Kino mögen. Und langen Atem und Interesse an Nuance haben. Und daran, was Politik mit den Menschen so macht.
* Algerien/Frankreich
* Regie: Rachid Bouchareb
* imdb
(Daniel Erk)
Die Frau in London River ist Christin, aber sie heißt Elisabeth… 😉