vonChristian Ihle 10.01.2011

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Wie im letzten Jahr haben wir auch diesmal wieder eine Handvoll Gastautoren eingeladen, in die heimischen Redaktions-Glaskugeln zu schauen. Hier die erste Hälfte, mit Dank an Rolling Stone, Zeit, MotorFM, Fidel Bastro und Spreeblick!

Joachim Hentschel für den Rolling Stone:

Jai Paul

Wie schön, es gibt tatsächlich erst ein einziges komplettes Stück von Jai Paul, und man kann damit ganz großartig die üblichen, fröhlichen Listening-Sessions mit saisonalen Blog-Frühstücksbrot-Sardellencreme-Hypes simulieren (er selbst ist freilich auch einer):
die exakt dreieinhalb Minuten von „BTSTU“ einfach immer wieder hintereinander laufen lassen, nochmal und nochmal, bis die Zeit vergeht und man über das Anfangsstadium hinauskommt. Bis man soweit ist, dass man den Widerhall von Prince und meinetwegen D’Angelo und noch meinetwegener Pharrell Williams zwar noch hört und den Minimal- R’n’B-Kick-und-Klick. Bis man aber auch endlich eingenudelt wird von dieser ständig von vorn beginnenden Hasenpfoten-Melodie, die ebenso esoterisch ist wie unbändig versaut, von Laserkanonen beschossen, von Bratzwürmern auf dem Rücken getragen und weißen Handschuhen gestriegelt. Jai Paul, der Daddler und Fistler, ist eben 22 geworden, hat noch nie vor fremden Leuten gespielt, bekam für seine MySpace-Schnipsel einen Plattenvertrag, lehnte ein Interview mit dem „NME“ ab, weil er und seine Freunde ihn uncool finden, arbeitet im Moment in seiner Londoner Küche am ersten bezahlten Werk. Wenn das Vorspiel nicht täuscht, wird es ein Abenteuer. (Joachim Hentschel, Rolling Stone Magazin)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=jeYzUDmFTyA[/youtube]
.

Anhören:
* BTSTU

Anne Wizorek für Spreeblick:

Katy B (MySpace)

Katy B für 2011 Erfolg vorauszusagen, ist kein Kunststück, wenn man sich ansieht, was der zierlichen Dame alleine in den letzten Monaten beschieden war: Kollaborationen mit den großen Namen der Dubstep-Szene, gelungenes Hineinschnuppern in die oberen UK-Chartsregionen, Plattendeal mit dem Major, die erste Headlinertour fürs Vereinigte Königreich steht auch schon auf dem Zettel und von manchen Kritiker wird sie bereits „The voice of Dubstep“ genannt.

Nein, die große Glaskugel ist nicht vonnöten, um sich auszumalen, dass das kommende Jahr den endgültigen Durchbruch für Katy B bedeuten wird. Dafür ist jedoch schon jetzt klar, dass man ihr äußerst gerne dabei zuschauen und selbstverständlich -hören wird. Ich für meinen Teil bin nach den Single-Vorboten jedenfalls sehr auf das Debütalbum der Südlondonerin gespannt und werde freudig Beifall klatschen, wenn deswegen Kolleginnen wie z.B. eine gewisse Miss Perry zwar leider nicht ganz von der Bildfläche verschwinden, aber doch immerhin etwas weniger von ihr einnehmen werden. Stattdessen bekommen wir eine talentierte Songschreiberin zu sehen, die die Musik und das Feiern zelebriert, ihrer Generation damit eine wunderbare Stimme verleiht und den bequemen Hoodie jederzeit einem schicken Designerfummel vorziehen würde. This right here I swear will end too soon? Aber nein, es fängt doch erst an! (Anne Wizorek, Spreeblick)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=qNhPYj-5rIY[/youtube]
.

Anhören:
* Katy B On A Mission

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=qNhPYj-5rIY[/youtube]
.

Bernd Kroschewski für die Hamburger Band Boy Division und das Label Fidel Bastro:

High Quality Girls (MySpace)

Im Juni 2004 erschien die erste kleine Schallplatte der High Quality Girls. Und im Frühjahr 2011 wird nun der erste Longplayer erwartet. Das deutsch-englische Duo ist in der Zwischenzeit nicht nur zum Trio gewachsen, sondern hat auch einen großen Schritt vom No Wave-Country (?) Richtung Bombast-Pop gemacht. Allerdings vom Bombast-Pop der Max Müllerischen Art. 8 Titel: düster, böse aber auch fast tanzbar…. Ein Meilenstein, der genau so auch 1985, oder eben aber auch 2017 hätte rauskommen können. Eine Vinyl-only-Schallplatte, ohne Download-Möglichkeit oder CD-Beilage. Einfach so. (Bernd Kroschewski, Drummer von Boy Division und Labelchef Fidel Bastro)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=KAXsnivWPAA[/youtube]
.

Anhören:
* Unterschicht

Daniel Erk für ZEIT Online:

Foster The People

Foster The People aus Los Angeles, Kalifornien, haben alles, was es braucht, wenn man in die Gazetten und Radios kommen will. Über 9000 Fans auf Facebook, Paul Epworth als Produzenten ihre Debütalbums, freiwillige Remixarbeiten aus dem Blogbetrieb, Vorschusslorbeeren vom NME, aber vor allen Dingen: Eine mehr als vertiablen Hit.

„Pumped Up Kicks“ ist nach allen Maßstäben ein Ohrwurm, wie ihn Pop seit Peter Björn and Johns „Young Folks“ vor vier Jahren nicht mehr gehört hat. Es wird sogar ebenfalls gepfiffen, der Refrain ist rund und eingängig, sodass er sich in Dauerschleife durch den Kopf drehen kann und das Schlagzeug so hübsch scheppert, dass ob all der Freude, Freundlichkeit und Sonne in diesem Lied den Text beinahe vergisst. Und darin liegt der tatsächliche Clou von „Pumped Up Kicks“: Es geht hier nämlich keine Sekunde um die schönen Seiten des Lebens, sondern um einen Jungen namens Robert, der den Revolver seinen Vaters gefunden hat und nun mit ruhiger Hand nicht nur auf seinen Vater, sondern vor allem auf die anderen Kinder zielt. Aber weil das alles eben so nett verpackt ist, werden spätestens im Sommer 2011 auch in Deutschland die Indiekids und vielleicht sogar die Formatradios „Pumped Up Kicks“ so lange spielen, bis selbst der unbedarfteste Hörer “All the other kids with the pumped up kicks: you better run, better run, outrun my gun“ singt. In den Vereinigten Staaten nämlich ist genau das schon diesen Sommer der Fall gewesen. (Daniel Erk, Zeit Online)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=SLK7hrRijes[/youtube]
.
Anhören:
* Pumped Up Kicks

Für MotorFM Musikchef Ueli Häfliger:

Champions (MySpace)

An dieser Stelle mal ein Novum. Eigentlich kommen die Bands, die hier vorgestellt werden, entweder aus London, Brooklyn oder Kalifornien. Wieso jedoch in die Ferne schweifen wenn’s in Koblenz auch prima rumpelt? Eben. Die Champions – zugegebenermassen ein etwas google-unfähiger Name – sind im Schnitt 20 Jahre alt. Letzten Sommer haben sie ihre erste EP „moving mountains“ veröffentlich. Und schwupps zum Sommerhit mutiert. Zumindest in meinen Ohren. Nun erscheint Ende März ihr Debüt „zeitraffa“. Man könnte denken Can & Neu! hätten Pate gestanden. Falsch. Das Trio klingt sowas von undeutsch, orientiert sich lieber an Nuller-Bands wie Phoenix und The Strokes. Nix Neues, klar. Aber das sowas aus hiesigen Gefilden stammt, ist doch neu. Und gut, solide und hat es verdient, dass man 2011 noch viel von hören wird. (Ueli Häfliger)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=28LeUe44Tmw[/youtube]
.

Anhören:
* Changes
* Moving Mountains

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2011/01/10/i_predict_a_riot_-_gastautorentipps_jai_paul_katy_b_high_quality_girls_foster_the_people_champions/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert