vonChristian Ihle 10.02.2012

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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In The Land Of Blood & Honey (Regie: Angelina Jolie)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=wDBU8CqU0dg[/youtube]


1. Der Film in einem Satz:

Krieg ist schlimm.



2. Darum geht‘s:

Kurz vor Ausbruch des Balkankriegs verliebt sich das bosnische Mädel Ajla in den serbischen Polizisten Danijel. Als sie sich nach den ersten Kriegswirren ein halbes Jahr später wieder treffen, ist er Kommandant einer serbischen Einheit und sie Häftling in seinem Gefangenen-Camp.
Nach und nach entwickeln sie wieder zarte Bande zueinander und Danijel sperrt Ajla in ein Einzelzimmer, um sie zu beschützen – oder zu besitzen. Oder beides. Währenddessen sterben viele Menschen grausame Tode.

Für die Aussage „Krieg ist schlimm“ hätte ich persönlich keine 127 Minuten Spielzeit benötigt. Man mag ja Angelina Jolie hoch anrechnen, dass sie für ihr Regiedebüt keine Eitelkeitsshow abzieht und sich an einem grausamen, deprimierenden Kriegsfilm versucht, aber auch für Miss Jolie gilt letzten Endes: gut gedacht ist nicht gut gemacht.

An „In The Land Of Blood & Honey“ ist so vieles falsch! Die Grausamkeiten – von Massenvergewaltigung über menschliche Schutzschilde bis hin zu Babys, die von Balkonen geworfen werden – sind so drastisch, dass der Film nur kurz vor Kriegspornographie stehen bleibt. Dass als einzige Abwechslung zu all den Abscheulichkeiten des Krieges Kommandant und Häftling wild herumficken, macht es nun wirklich nicht besser.

Dazu kommen handwerkliche Schwächen: die Nebenfiguren tauchen auf und verschwinden, wie es dem Plot zur emotionalen Manipulation gerade in den Kram passt und die beiden Hauptfiguren simulieren nur eine Entwicklung in ihrer Beziehung zueinander. Im Grunde ist die Ausgangslage von Danijel und Ajla nach 30 Minuten erzählt und trotz vielem oberflächlichen Hin und Her ändert sich an diesen Positionen bis zum etwas zu pathetisch geratenen Ende kaum noch etwas (immerhin hat Jolie konsequenterweise auf jede Andeutung eines Happy-Ends verzichtet). Dass die Dialoge zum Teil erschreckend hölzern sind (Sagt der Kommandant zum Häftling: „This war is hard for me to stomach“. Sag ich: WTF? Dieser Krieg hier nur?) und der innere Konflikt von Danijel zwischen Liebe und Verantwortung im Endeffekt dadurch abgehandelt wird, dass der Arme eben seinem Vater gehorchen muss, lässt dann selbst das gute Anliegen von Jolie erschreckend profan erscheinen. Der erste Rohrkrepierer des Festivals.



3. Der beste Moment:

Die Anfangsszene, die verdeutlicht, wie plötzlich der Krieg über das Alltagsleben der Menschen hereinbricht.



4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer ein Faible für Blut und Sperma – Filme hat.



* Regie: Angelina Jolie
* imdb


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Death Row (Regie: Werner Herzog)




1. Der Film in einem Satz:

Dead Men Talking



2. Darum geht‘s:

Werner Herzog besucht vier Insassen des Todestraktes, die auf ihre Hinrichtung warten. Er führt Interviews mit den Gefangenen, fährt an die Tatorte, befragt Anwälte, Komplizen, Medien. Beleuchtet so wertungsfrei den Fall. Dabei beginnt er jede dieser einstündigen langen Episoden mit dem Satz, dass er als Gast in den USA , aber mit seinem deutschen Background, die Praxis der Todesstrafe „respektvoll ablehnt“. Trotz dieser Einleitung ist „Death Row“ nie ein flammendes Pladoyer gegen die Todesstrafe, sondern eine subtile Aufbereitung der Fälle mit all ihren Fragwürdigkeiten, so dass sich der Zuschauer selbst ein Bild machen kann, ob wirklich ein Staat töten sollte. Dabei reicht die Palette der zum Tode Verurteilten vom sich zu den Taten bekennenden Serienkiller bis zum Inhaftierten, der immer noch seine Unschuld beteuert – und nun nach 17 Jahren die Erlaubnis bekommen hat, die DNA der Mordwaffen erstmals untersuchen zu lassen und felsenfest von einem anderen Täter überzeugt ist.

Herzogs große Stärke ist das scheinbar naive, aber immer bestimmte Nachfragen und die Fähigkeit, zuzuhören. Er lässt die Mörder ihre Geschichte erzählen und es gibt keine Episode, die uns Zuschauer nicht überraschen würde. Gänsehaut verursachend der hochintelligente Serienkiller, der offen und frei über seine Taten spricht, geradezu absurd der – seiner Meinung nach – unschuldig Verurteilte, der seit 17 Jahren einsitzt und dennoch kaum einen Satz mit Herzog wechselt, ohne lauthals und ansteckend loszulachen.
Erneut eine sensationelle Dokumentation von Herzog, der damit wieder unterstreicht, dass er der beste Dokumentarfilmer weit und breit ist. Spannend, mitreissend, beängstigend.



3. Der beste Moment:

Beim letzten präsentierten Fall redet sich die interviewte Staatsanwältin regelrecht in Rage über die Verurteilte. Sie beschwört Herzog geradezu, sie nicht „zu vermenschlichen“. Herzog antwortet trocken: „Ich kann gar nicht versuchen sie zu vermenschlichen. Sie ist ein Mensch.“

Die zweite Episode hält dafür absurderweise einige Lacher bereit, weil der mutmaßliche Dreifach-Mörder erstens ein unwahrscheinlich ansteckendes Lachen hat und zweitens tatsächlich – als jemand, der nach 17 Jahren immer noch steif und fest behauptet, niemanden umgebracht zu haben – auf Herzogs Frage nach seinen Träumen und Wünschen antwortet, dass er gerne einen Tequila und eine Avocado hätte. Und hinterherschiebt: „Oh man, I would kill for an avocado!“



4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer Dokumentationen über politische Fragen schätzt, die Attitude besitzen, aber dennoch nie predigend wirken.



* Regie: Werner Herzog
* imdb


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