vonChristian Ihle 28.08.2012

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Killer Joe (Regie: William Friedkin)




1. Der Film in einem Satz:


I hired a contract killer…
and all I got was a lousy fellatio with a chicken wing.



2. Darum geht‘s:


Der hochverschuldete Chris (Emile Hirsch) und sein tumber Papa Ansel Smith (Thomas Haden Church) stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Als Trailerparkbewohner und Vorzeige-White-Trash-Protagonisten liegt die Lösung nahe: Einen Killer beauftragen, um an die Lebensversicherung der Mutter zu kommen. Auftritt: Joe Cooper, Polizist und Auftragsmörder. Cooper hat klare Regeln, was Vorabzahlungen angeht, ist aber vom minderjährigen Familienmitglied Dottie (eine sensationell furchtlose Juno Temple) so begeistert, dass er sich auf einen Deal einlässt: Mutter wird ohne Vorschuss gekillt, dafür gibts eine Nacht mit Tochter Dottie als Bonus…


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=cxpvzmvFHTM&feature=fvwrel[/youtube]


Schnell ist klar: einen Preis für übergroße Political Correctness wird „Killer Joe“ nicht gewinnen – und da haben wir noch nicht einmal das Frauenverprügeln und den fünfminütigen Chicken-Wings-Fellatio erwähnt! Was uns Altmeister William Friedkin (Regisseur von „Exorzist“ und „French Connection“!) nach einem Drehbuch von Pulitzer-Preisträger Tracy Letts präsentiert, ist so gewagt, dass schon überrascht, welche Riege von großen Namen er für diesen Film gewinnen konnte. Als Killer Joe selbst glänzt der unerträgliche Schmierlappen Matthew McConaughey in einer Weise, dass man glaubt, seine ganze Karriere wäre nur darauf ausgerichtet gewesen, diese gänzlich amoralische, aber dennoch erstaunlich beeindruckende Figur zu spielen.

Ein bemerkenswerter rauher Film, der genug verstört, um nicht nur coole Fassade im „No Country For Old Men“ – Gewand zu sein, sondern auch als Kritik am amerikanischen Wertesystem zu wirken, an den nurmehr leeren Hüllen Familie und Religion, unter deren Deckmantel die Verderbtheit der Menschen scheinbar gebändigt wird – die ihnen aber im Grunde nur die Möglichkeit geben, jene Verkommenheit zu leben, weil der Anschein auf den ersten Blick noch gewahrt bleibt.



3. Der beste Moment:


Wenn sich die Ereignisse zuspitzen und Killer Joe der Familie Smith zeigt, wo der Hammer hängt. Klare Regeln, messerscharfe Logik, harte Entscheidungen.


4. Diese Menschen mögen diesen Film:


Wer gern an Chicken Wings knabbert, während er das Vice Magazine liest.


* Regie: William Friedkin
* imdb
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Chained (Regie: Jennifer Lynch)





1. Der Film in einem Satz:


Einsatz in vier Wänden, oder: am Ende wars immer der Taxi Driver.


2. Darum geht‘s:


Der kleine Tim und seine Mutter werden nach einem Kinobesuch vom irren Taxifahrer Bob entführt und in ein abgelegenes Wohnhaus gesperrt. Die Mutter schlachtet der Serienmörder auf bestialische Weise ab, den Jungen hält er sich fortan als Haustier an einer Eisenkette. Einzige Aufgabe des Heranwachsenden: die Wohnung sauber halten. Und das bedeutet eben auch, die blutigen Überreste der Opfer, die der Serienkiller regelmäßig nach Hause bringt, akkurat unter dem Haus zu vergraben. Als Bob den mittlerweile fast erwachsenen Jungen als Ziehsohn in die Welt der Serienmorde einführen will, kommt es zum blutigen Eklat.


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=7WZ70gEPvoE[/youtube]


Jennifer Lynch kompensiert ihren Mangel an Subtilität beim Filmemachen im Vergleich zu Übervater David Lynch durch ein gehöriges Maß an Brutalität und Konsequenz bei der Inszenierung. Ein Großteil des Low Budget Filmes spielt in den vernagelten vier Wänden des Killers, wo sich explizit grausame Morde abspielen (und auch gezeigt werden). Besonders intensiv gerät das kaputte Psychospiel zwischen „Mentor“ Bob und seinem „Rabbit“ genannten Ziehsohn. Vincent D’Onofrio spielt den Serienmörder abgrundtief glaubhaft, das Opfer selbst gerät dabei leider – auch wegen des mäßigen Drehbuchs – zur Nebensache. Genau da liegt aber der Hase im Pfeffer bzw. das Opfer unter der Veranda begraben. Denn so inszeniert Lynch letztlich eine Täter- und keine Opfergeschichte. Damit wird zwar glaubhaft „ein menschliches Monster geboren“ (O-Ton Lynch), Empathie oder ein kathartisches Kinoerlebnis – zumindest aber eine psychologisch glaubhafte Auslösung – bleiben auf der Strecke.


3. Der beste Moment:


Die grausamsten Momente hat der Film immer dann, wenn Bob im lispelnden Ton den irren Oberlehrer gibt und seinem „Rabbit“ die Welt erklärt.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:


Menschen, die gern in den Abgrund blicken. Und Fans von Tour-de-Force Filmen ohne Erlösungsmoment.



* Regie: Jennifer Lynch
* imdb

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(Text Chained: Robert Heldner, Text Killer Joe: Christian Ihle)

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