„Sehr geehrter Bruce Willis,
es tut mir leid, Sie noch einmal belästigen zu müssen. Es ist das letzte Mal, versprochen. Nun soll mein Roman tatsächlich erscheinen und ich wollte mich herzlich bedanken. Ohne Sie hätte mein Bankberater das nie geschafft, ohne Sie wäre es nie zu einem einigermaßen glücklichen Ende gekommen. Ich hoffe es ist nicht zu viel verlangt, wenn ich noch um ein kurzes Zitat für den Buchumschlag bitte. So etwas wie
„Dieses Buch ist besser als all meine Filme“ – BRUCE WILLIS
„Ich konnte nicht aufhören zu lachen. Und ich lache bekanntlich nie.“ – BRUCE WILLIS
Suchen Sie sich einfach eines aus. Schön wäre es, noch heute von Ihnen zu hören. Der Umschlag wird nämlich morgen gedruckt. Vielen Dank im Voraus,
Ihr Tilman Rammstedt“
Auf einer faszinierenden Grundidee basiert Tilman Rammstedts neues Buch „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“: das gesamte Werk besteht ausschließlich aus Briefen an Bruce Willis, durchsetzt mit kurzen Einschüben, die den Geisteszustand von Rammstedts wunderlichem Bankberater skizzieren.
So schreibt Rammstedt, Ingeborg-Bachmann-Preisträger von 2008, also an Bruce Willis, Tag um Tag, und bittet ihn, seinem Bankberater zu Hilfe zu kommen. Bruce Willis antwortet nie, Rammstedt versucht es aber weiter. Er skizziert die Auswegslosigkeit des Bankberaters, die geradewegs zu einer Kurzschlußhandlung führen muss: einem Banküberfall. Doch natürlich ist ein schnöder Bankberater mit einem Banküberfall überfordert (obwohl nach Brecht ja gilt: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“), so dass Bruce Willis in des Bankberaters Rolle schlüpfen solle.
Als Willis weiterhin Antworten verweigert, erzählt Rammstedt, wie sich die Story weiterentwickeln könnte, wie sie gemeinsam die Bank überfallen, fliehen, von der Polizei gejagt werden etc pp.
So dekonstruiert Rammstedt gleich zwei Götter der Literatur: den Autor und den Helden. Nicht nur, dass letzterer ja bereits nur ein Ersatzheld für die eigentliche Figur des Bankberaters ist, nein, der Ersatzheld ist auch unwillig, schon wieder den Helden geben zu müssen, lässt sich nur frustriert in diese Geschichte hineinziehen. Auf der zweiten Ebene entwickelt Rammstedt in diesen Briefen die Story von Überfall und Flucht, zweifelt immer wieder an den Abzweigungen, die seine Figuren nehmen sollen und schreibt so eine Geschichte fort, die einerseits deutlich mit Genreversatzstücken des Thrillers spielt, andererseits aber immer klar macht, dass wir hier „nur“ der Entstehung einer Geschichte zusehen.Als Experiment ist „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“ durchaus gelungen und faszinierend, wenngleich Rammstedt seiner Grundidee nicht wirklich viel hinzuzufügen hat. Der Ansatz bleibt der gleiche, das Buch teilt sich in repetitive Überredungsversuche an Bruce Willis und die Skizzierung der Story, die Bruce Willis bespielen soll. Eine Groteske, die auf Dauer etwas ermüdet.
„Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“ von Tilman Rammstedt
DuMont Verlag, 160 Seiten, Hardcover
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