vonChristian Ihle 08.05.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Dagobert – Dagobert





Wer: Ein Schweizer Schlawiner, der schmierigen Schlagersound in Indieherzen transportieren will.



Bisherige Glanzleistung: Die Vorabveröffentlichung “Morgens um halb vier”, dank der wir Dagobert auch schon in unserer Believe-The-Hype-Jahresvorausschau portraitiert hatten.



[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=EsIENZZLyzg[/youtube]


Jetzt: Wer bei “Morgens um halb vier” noch dachte “ein wenig dick aufgetragen, aber halt eine Ballade” kann sich jetzt schön die Schmalzlocken hinter die Ohren stecken und aufpassen: das war noch gar nichts im Vergleich zu den für das Debütalbum aufgenomenen Songs. Es ist ja offensichtlich eine bewusste Entscheidung von Dagobert, sich in die Schlagernähe zu begeben, deshalb mag ich auch nicht von einem “Problem” sprechen, dass es in Deutschland kaum eine Crooner- oder Chanson-Geschichte gibt, so dass die wenigen Diamanten unter der dichten Schlagerpatina kaum zu erkennen sind. Wer wie Dagobert sich aber so offen bei Versatzstücken des Schlagersounds wie in “Ich bin zu jung” bedient, dass man glaubt selig Drafi Deutscher würde aus dem Grab steigen um noch mal Mixed Emotions neu aufleben zu lassen, der kann sich weder zufällig dieses Klangs bedienen noch die Referenzen beschämend finden, sondern galoppiert locker lachend über unsere Vorurteile hinweg.

Am Ende gelingt Dagobert ja sowieso etwas Erstaunliches, indem er zeigt, dass all die Schmalzigkeit, all der Schlager durchaus auch gut klingen kann, hat man Texte, die über Heileweltallerlei hinausblicken und Songs, die raffiniert genug sind, die auf den ersten Blick simplen Arrangements nicht nur zu überstehen, sondern sie gar zu kontrastieren. Ein gewagtes Projekt, ein gelungenes Konzept, das einen staunen lässt.



Wertung: 7/10


Höhepunkt:


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=qlJm2SsV4MM[/youtube]



———————–


Milk Music – Cruise Your Illusion





Wer: Grungepunks aus Olympia, WA, die hier mit ihrem Debütalbum aufwarten.



Bisherige Glanzleistung: Die brillante EP “Beyond Living”, die vor gut eineinhalb Jahren auf Dauerrotation in unserer Jukebox war und Milk Music auch einen Platz als am heißesten erwarteten Debütanten in unserer Jahresvorausschau bescherten.



[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=YZO8GG9t7lc[/youtube]


Jetzt: Lange erwartet und heiß ersehnt war das Debütalbum – und dann schaffen es Milk Musik mit “Cruise Your Illusion” direkt zu verblüffen. War die selbstveröffentlichte EP noch ein krachendes Meisterwerk, das Grunge seinen Stolz zurückgab und daran erinnerte, dass die ganze lamoryante Chose ja doch aus dem Punk entstanden war, ist das richtige Debüt nun ein ausformuliertes, von klassischem Songwriting getragenes Album. Zwar finden wir hier immer noch Hüsker Dü- und Mudhoney- Momente, aber eben auch an jeder Ecke Neil Young und sogar Country Rock – Anleihen wie sie die Drive-By Truckers seit Jahren spielen. Ein gutes, rundes Album, das aber andererseits musikalisch nicht ganz den Punch der EP besitzt und so schon beinah mehr einem Spätwerk als einem Debüt gleicht. Oh, moderne Zeiten, ihr ewigen Beschleuniger!
Doch mag der Klang auch überraschend reif und weise klingen, die Attitude bleibt aber von herrlich kämpferischer Jugend durchzogen: “Don’t fuck with me, man/ I’m illegal and free”.



Wertung: 7/10


Höhepunkt:


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=_VWzaiAiEqY[/youtube]


———————–


Fidel Bastro – 20 / 7” (Split-EP mit Sport, Kiesgroup, Alan Metzger und Potato Fritz)





Wer: Eines der langlebigsten Indie-Labels Hamburgs beschenkt sich und uns zum zwanzigjährigen Jubiläum mit einer Split-EP, auf der die Label-Speerspitzen Sport, Kiesgroup, Alan Metzger und Potato Fritz glänzen.



Was: Für alle, die die Fidel-Bastro-Veröffentlichungen etwas verfolgt haben, finden sich gleich mehrere Schmankerl auf der 4-Track-EP. Die Düsseldorfer Noiseniks Alan Metzger spielen für diese Jubiläumsplatte ihren ersten neuen Song seit 16 (!) Jahren ein, Hausband Potato Fritz covern Superchunk und als Höhepunkt nehmen sich Sport einen alten Hüsker Dü – Song vor und hymnifizieren das ursprünglich akustische Original mit schön krachenden Indierockgitarren. Überhaupt scheint Hüsker Düs “Never Talking To You Again” ein besonderes Lied für die Fidel-Bastro-Gemeinschaft zu sein, haben sich doch schon Potato Fritz auf der Jubiläumscompilation zum zehnten Jahrestag erfolgreich daran versucht.



Wertung: 7/10


Höhepunkt: Sport – Never Talking To You Again


Soundcloud-Link

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2013/05/08/neue-platten-dagobert-710-milk-music-710-fidel-bastro-ep-mit-sport-und-kiesgroup-710/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert