vonChristian Ihle 05.09.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Als die ersten Ankündigungen zum Berlin Festival veröffentlicht wurden, hatte ich schon gedacht, ich würde im Schlafwandeln das Festival selbst buchen, treten doch mit Blur und Pet Shop Boys gleich zwei popblogsche Lieblingsacts als Headliner auf.


Dass diese beiden Bands natürlich Pflichtprogramm sind, versteht sich von selbst. Erinnert sei nur an den wirklich phänomenalen Auftritt der Pet Shop Boys beim Melt Festival vor einigen Jahren, der selbst Nichtfans und Zufallsgucker nachhaltig beeindruckte. Deshalb noch einmal unterstrichen: selbst wer sich seit zwanzig Jahren keine Pet Shop Boys – Platte mehr gekauft hat, sollte sich die beiden britischen Pop-Dandys geben. Und zudem: ein Nostalgiefest, “best of 80s!”-Quatsch ist das keineswegs, sondern absolut up to date. Gespannt sein darf man, wie Hi-NRG-elektronisch das Set werden wird, spricht doch das jüngste, sehr clublastige Album “Electric” und wohl auch Auftrittsort Berlin als Disco-Hauptstadt der Welt dafür, dass die Pet Shop Boys (Freitag, 20.30h) durchaus einige Club-Banger mehr raushauen werden als hier bei ihrem beeindruckenden Brit-Awards-Medley:


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=r1BnSvUtSO0[/youtube]


Mit Blur (Fr, 22.00h) konnte das Berlin Festival zudem ein Highlight des Reunion-Zirkus verpflichten, deren Hyde-Park-Konzert und Glastonbury-Headline-Auftritt vor drei Jahren schon in die Popkulturgeschichte Großbritanniens eingegangen ist. Blur-Frontmann Damon Albarn kann sich als der letzte kreativ Überlebende der Brit-Pop-Ära betrachten und hat sich dank etlicher gefeierter “Neben”-Projekte wie Gorillaz und The Good, The Bad & The Queen eine Lässigkeit erworben, die auch den Blur-Auftritten zu gute kommt. Das früher manchmal verkrampfte Auftreten Albarns, das ständige Sichbeweisenmüssen ist Vergangenheit, die Streiterein mit Gitarrengenie Graham Coxon beigelegt, so dass Blur in der Zwischenzeit als eine der besten Live-Bands des Planeten zu bezeichnen sind. Es wird auf deutschen Festivalbühnen in diesem Jahr wohl keine bessere Gruppe auftreten.


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Z-bTeSbMoRE[/youtube]


Doch neben den beiden ganz großen Acts gibt es auch einiges Neues zu entdecken, allen voran die Parquet Courts aus New York (Fr, 16.00h), die eines der besten Debütalben des Jahres veröffentlicht haben. Ihr Sound erinnert an “Pink Flag”, das erste Album der Post-Punk-Heroen von Wire und ist also kurz, scharf, schneidend. Auf den Punkt. Die Parquet Courts passen sicher besser in eine dunkle Garage um 12 Uhr nachts als in einen Flugzeughangar in der Nachmittagssonne, aber dennoch die beste neue Band im Line-Up.


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=GLgmblvPBiY[/youtube]


Ähnliches gilt für die Savages (Sa, 18.30h), die mit ihrem an Siouxsie & The Banshees geschultem Goth-Punk ebenfalls in der Dunkelheit der Nacht mehr Wirkung entfalten könnten. Auch wenn ihr diesjähriges Debütalbum nicht ganz die Hoffnungen aus der “Husbands”-Single erfüllen konnte, haben sie live bei ihrem letzten Berlin-Auftritt ziemlich beeindruckt. Eine Band mit Attitude, politischer Ausrichtung und Wut.


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SOHN (Sa, 17.30h) sind heiße Tipps dafür, im nächsten Jahr eine ähnliche Karriere wie Alt-J hinzulegen. Delikate, immer etwas (zu) verhuscht klingende Popsongs, die im Plattenregal gut neben The XX und Konsorten passen. NYPC (Fr. 17.30h) waren mal der heißeste neue Scheiss und man ist fast ein wenig überrascht, dass die Elektro-Pop-Indie-Band immer noch existiert. “Icecream” war der größte Hit, den Peaches nie geschrieben hat, und rechtfertigt die Bandexistenz so oder so. Die Villagers (Fr, 18.30h) dagegen sind von Album eins zu Album zwei in der Wahrnehmung deutlich aufgestiegen und ihre etwas prog-beeinflußten Folksongs haben vor allem die Kollegen vom Rolling Stone beeindruckt, die das letzte Villagers-Album zu ihrer Platte des Monats kürten. Die deutsche Folk-Pop-Band Get Well Soon (Fr., 20.00h) hat vielleicht nicht ganz die Erwartungen aus den Anfangstaten bestätigen können, ist aber immer noch sehenswert. Auch weil Konstantin Groppers Entwurf so ungewöhnlich für die hiesige Landschaft ist: das ist groß, das ist ausladend, aber gleichzeitig nie in Richtung Formatradio oder “Wetten, dass” – Auftritt schielend. Dieser Spagat gelingt wenigen hierzulande. Außerdem scheint der immer noch blutjung aussehende Gropper ein coolerer Hund zu sein als man dachte, wenn man sich an sein konsequentes Wenigsagen und Vielsaufen in einer der besten “Roche & Böhmermann”-Sendungen im letzten Jahr erinnert.


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Zwei Rückkkehrer sollen die Runde an Empfehlungen beschließen: die Klaxons (Sa, 22.00h) sind auf einmal wieder da und, tragischerweise, haben sie nur wenige vermisst. Man hat allerdings in der Zwischenzeit fast schon Respekt vor ihrem chaotischen Karriereweg, der sich jeglicher Planung und Vorhersehung versagt hat. Für eine kurze Zeit – drei, vier Singles lang – die geilste Band des Planeten und der Grund warum Millionen junger Menschen Neon-Farben trugen und New Rave noch kein Schimpfwort war, ist ihr zweites, von Ross Robinson (Korn!) produziertes Album böse gefloppt. Daraufhin verschwanden die Klaxons wieder für lange Zeit, so dass man ernsthaft gespannt sein darf, was die Jungs denn nun vor haben.


Ein Höhepunkt für viele dürfte zudem der My Bloody Valentine – Auftritt (Sa, 20.00h) sein, der im Gegensatz zu vereinzelten Festivalshows der letzten Jahre diesmal auch mehr zu bieten hat als pure Shoegaze-Nostalgie. Denn Kevin Shields und Co haben in diesem Frühjahr völlig überraschend ihr erstes Album seit zwei Dekaden veröffentlicht, das tatsächlich auch noch einerseits völlig schlüssig an Vorgänger wie “Loveless” anschloss, aber dennoch absolut jetzt! war. Zu Ohrstöpseln wird geraten, nicht umsonst nennen My Bloody Valentine einen gewissen Teil ihrer Shows die “sonic holocaust sequence”:


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=RuJhTGq07nk[/youtube]

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