vonChristian Ihle 17.03.2015

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Wir sind einmal mit Milky Chance aufgetreten. In Frankfurt. Das war ein großes Debakel, da wir nach Milky Chance aufgetreten sind. Die letzten versprengten Abiturientinnen, die für ihre rehäugigen Idole erschienen waren, hatten sich bei „Stolen Dance“ zwar schon reichlich verausgabt, aber waren leider noch körperlich in der Lage, uns mit Bechern zu bewerfen. Ich wurde auf der Bühne sehr müde und hätte ich mich gerne unter das DJ-Pult gelegt, „nur mal kurz die Augen zumachen“.

Nun wäre es wirklich Quatsch, eine Band zu hassen, weil ihr Publikum uns nicht mag, auch wenn ich potentiell für solchen Quatsch zu haben bin. Nein, Milky Chance sind, neben ihren ästhetischen Verfehlungen (schlechter Haarschnitt, diese ätzende Press-Stimme) nur ein Symptom für etwas, was mich viel tiefschürfender trifft: eine immer flacher werdende Pop-Musik, die sich dann auch noch den Anstrich von Alternative gibt. Ein musikgewordenes beschissenes kleines Café, das teure Limonade verkauft, deren Preise mit Kreide an so Tafeln geschrieben werden. Eine musikgewordene Haltung von: „Hihihi, das geht uns alles nix an, lasst die da oben mal machen!“ Diese Haltung legen natürlich nicht nur Milky Chance an den Tag, alle Vertreter dieser Mumford-&-Sons-Cordhosen-Attitude machen mich wütend.

Musik für junge Zahnärzte und lässige FDP-Wähler, denen die Verelendung egal ist, hauptsache die Limonade kommt von einem Fairtrade-Startup aus Kreuzberg. Diese Haltung, dieser Mindstate steckt seinen Kopf immer tiefer in den Cupcake-Teig und nimmt ihn nur noch heraus, um nach neuen Detox-Salaten zu suchen oder um auf die Musik von denen da unten, auf Bushido oder Haftbefehl, zu spucken. Denn das ist ihnen wichtig: Bei aller Landstreicher-Romantik die da unten mit Verachtung oder – noch schlimmer – mit eisiger Verhöhnung zu strafen.

Musik, die sich in ihren Videos einer Ästhetik bedient, bei der man irgendwann nicht mehr weiß, ob man gerade eine Vodafone-Werbung oder ein Musikvideo schaut. Denn obwohl oder gerade weil die Einschläge immer dichter kommen und immer lauter werden und immer tiefere Krater reißen: Die Laune lässt man sich nicht vermiesen.“


(grim104 von Zugezogen Maskulin über Milky Chance in EinsLive)


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