vonChristian Ihle 23.04.2015

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Neue Platte mit Samy Deluxe, Auftritt im Mojo: Warum kann Nena Hamburg nicht verschonen?

Nena [verwaltete] ihren Nimbus, die „einzige Überlebende der Neuen Deutschen Welle“ (Frankfurter Rundschau) zu sein, auch wenn sie mit der Neuen Deutschen Welle stilistisch und ideologisch so wenig zu tun hatte wie Olaf Scholz mit Karl Marx, denn sie war ja nicht Nina Hagen, sondern Nena aus Hagen, eine kreuzbrave Mischung aus Haarmodenrepräsentantin und Hupfdohle, ausgerüstet mit neonfarbenen Tops und Stirnbändern oder, wie im Spielfilm Gib Gas, ich will Spaß, mit einem überdimensionierten Angorapulli, für den eine ganze Karnickelpopulation ins Gras beißen musste. (…)

Aber jetzt hat Nena den Hamburger Rap-Star Samy Deluxe als Produzenten für ihr neues Album verpflichtet und dazu eine Clubtour mit Station in ebenjenem Mojo angekündigt. Die Platte heißt Oldschool, und das ist schon die erste Ungeheuerlichkeit, weil Old School eigentlich eine Phase in der Musikgeschichte bezeichnet, in der Grundlagen geschaffen werden für große Kunst. (…) die Old School hat es nicht verdient, dass jemand, der mit einem Song über 99 Luftballons berühmt wurde, einem Stück, dem selbst Rammstein mit einer gespenstisch ekligen Version nicht die infantile Aufdringlichkeit austreiben konnten, dass so jemand sich mit ihren Errungenschaften schmückt. (…)

Im Song Ja, das war’s heißt es: „Hab oft am Anfang geweint und dann am Ende gewonnen / hab mein Schicksal irgendwann in die Hände genommen. Ich werd immer noch singen / auch wenn ich Rente bekomm.“ Spricht da nicht der Neoliberale, der den zentralen Topos des deregulierten Marktes ins Zentrum seiner Ästhetik rückt: Eigenverantwortung? Abgesehen davon, dass das eine furchtbare Drohung ist – Nena singt sich in eine geriatrisch gut abgesicherte Bühnenzukunft mit Rollatorshows und 99 Gruftballons –, erklärt sich hier das an den Verhältnissen hart und schlau gewordene Bewusstsein, das weiß: Rente ist nicht. Außerdem liegt man dem Staat nicht auf der Tasche. Man schuftet weiter, und wenn es nur das Recycling des eigenen Werkes ist. Begonnen hat Nena damit schon früh: 2002 spielte sie mit Kim Wilde eine Coverversion von Irgendwo, irgendwie, irgendwann ein, im Video trugen beide schwarze Lederoutfits und tanzten aufeinander los, als hätte Pina Bausch gemeinsam mit Hein Gericke im Fieberwahn eine Choreografie erdacht. (…)

Ja, die knisternden Nena-Scheiben aus einer Zeit, als Kohl noch Kanzler war, die Mauer stand und die subkulturelle Gefühligkeit der Siebziger einer neuen schicken Härte sowohl im Sozialen als auch im Pop den Platz frei machte. Nena, das begreift man jetzt, war womöglich schon immer Kostgängerin des Status quo, den sie mit ihren Schubidu-Songs orchestrierte. „Ich weine meistens aus Wut über mich selbst“, sagte die Sängerin im Interview. „Wenn ich merke, dass ich nicht flexibel genug bin.“ Der Satz könnte auch von Katja Suding stammen, nachdem Union, SPD und AfD die nächste Idee der sozialliberalen Agenda gekapert haben.

So steht Nena heute für ein Milieu, das sich die anstrengende Zeitgenossenschaft mit Nostalgie und esoterischen Macken veredelt. Zweimal im Jahr esse sie Fisch und bedanke sich dann beim Fisch, dass er ihr seine Energie schenke, gab die Sängerin zu Protokoll.

Schrecklich

Samy Deluxe. Mojo Club. Und jetzt auch noch die Finkenwerder Scholle..“



(Daniel Haas in der ZEIT)

Mit Dank an Silke!



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kommentare

  • Erfrischend zu lesen, obwohl nicht einmal die 99 Gruftballons von ihr sind, ebenso wenig wie irgendwie, irgendwo, irgendwann – Nena ist (war) lediglich selbstüberschätzte Interpretin ..

  • *ROFL*
    Ich krieg‘ mich vor Lachen nicht mehr ein!

    ABSOLUTE SPITZE, der Artikel!
    „Haarmodenrepräsentantin“ … „infantile Aufdringlichkeit“ … „99 Gruftballons“
    Huaaaahahaa! Volltreffer, eeeexzellent!

    Nena, das ist die Merkel des Pöp, äh des Pop!
    Nie gut gewesen, schrecklich in jeglicher Erscheinung und schlimmer als Kaugummi aufm Bürgersteig!

    Aber was soll’s – CDU-Wähler lieben sie! *kotz*

  • melanie sintrup, wenn Christian Ihle eins nicht ist, dann ist das oberflächlich. Das wüssten Sie, wenn Sie seinen Blog nicht nur oberflächlich lesen würden. Ich wette, die gelesene(n) Schmähkritik(en) aus seinem Blog können Sie an Ihren Händen abzählen.

    Wörter wurden und werden schon immer zweckentfremdet, wenn sie es erst einmal in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft haben. Im Kontext von Nenas Album würde ich die von ihrer Vermarktung gemeinte Bedeutung übersetzen mit: etwas oll, lohnt sich aber trotzdem anzuhören/zu kaufen! Kurz zum Analysieren von Songtexten:

    Ähem, machen Sie das öfter? Songtexte analysieren? Ernsthaft?

    Wenn ich einen Song analysiere, befinde ich mich in einem Albtraum wieder in der Schule (Albtraum im Foucault’schen Sinne wegen dem Zwang) und schreibe eine Rezension für das Unterrichtsfach Deutsch. Sonst urteile ich über Musik immer eher aus der Hörsituation heraus, wie sie auf mich wirkt. Eine Musik, die ich vom gesungenen Text her zu 100 Prozent verstehen würde, würde ich so schnell wie möglich ausschalten. Fände ick zu anstrengend, da ich meistens was beim Musikhören tue und Unbestimmtheit im Song brauch. Was wohl ein Grund dafür ist, warum ich als Deutschmuttersprachlerin kaum deutschsprachige Musik höre … anderes Thema. Back to Nena:

    Klar gehören auch zu Musik immer Form und Inhalt. Nur, eine geniale Textmessage allein machts noch nicht. Daniel Haas Kritik rückt halt die Performance in den Vordergrund. Soll er doch.

  • Grosse Klasse, dass Herr Ihle das hier abdruckt, sorry, ich meine natürlich: große Scheiße. Herr Ihle beweist damit nur das, was er in seinem Blog Monarchie und Herren-Alltag ohnehin andauernd beweist: dass er ein latenter Frauenhasser ist, der Musik nur dann ernst nehmen kann, wenn sie von Herren gemacht wird. Dieser Text über Nena aus der ZEIT geht mit keinem Wort auf die wirklich grossartigen Texte von Nena ein (gerade die von der Debut-Platte)Dabei kann ich sie beruhigen, die Texte haben ja Carlo Karges und, ich glaube, auch Fahrenkrog Petersen zusammen mit Susanne Kerner alias Nena geschrieben. Wenn eine Band wie, sagen wir z.B. Fehlfarben oder Tocotronic oder die Sterne so solche Texte hätte, dann würde der Ihle im Kreis springen vor Freude. Aber is ja nur n Mädchen, das diese tollen Lieder damals gesungen hat… Der Igel und der Haas sind jetzt natürlich sauer, dass die NENA an ihrer Idee von GEschlechterapartheid rüttelt und mit dem Samy Deluxe gemeinsame Sache macht, weil der Samy ist doch einer von den Guten und Nena eine von den Bösen… So geht Geschlechterrockismus im Jahr 2015, sauber versteckt und offen rein gehalten im Taz Blog. Klar, die Texte von Nena sind radikaler Pop und nicht melancholischer Punkrock, aber wer von radikalen Poptexten nichts hält, soll von melancholischem Punk/Diskursrock schweigen und bitte schön: erst REcht von Hip Hop. Nena hat immerhin mehr Recht sich den Begriff Old School anzueignen als ne weitere Truppe von weissen, deutschen Rappern das hätte. Denn immerhin wird sie als Frau im Musik geschäft doch ganz schön von Altersdiskriminierung gestreift und da ist es allemnal lustiger, wenn sie mit Old School zurücklächelt/disst. Aber die deutschen Igel und Hasne, die ewigen Vorkämpfer für die Männer und die Herren im Rock und Pop, die verstehen Humor nur, wenn er von „Ihresgleichen“ kommt. Aber bitte Samy Deluxe aus der WirsinduntenmitunsrenKumpels-Nummer rauslassen., Der wird schon wissen, was er tut, wenn er NEna produziert. Und jetzt: nochmal Hausaufgaben gemacht und Nena Songtexte analysiert, anstatt immer nur aufs Neonäußere zu gehen, ihr oberflächlichen Wichser!!!!

  • Was für ein beschissener Artikel. NENA hat sämtliche NDW-Eintagsfliegen deshalb überdauert, weil sie durch und durch eine Vollblutmusikerin ist, die sich von ihren Gefühlen und der Liebe zur Musik treiben lässt. Ihre Musik und Texte sind zeitlos und wenn ich mir meine Musiksammlung mit hunderten von CDs anschaue, dann sind es ihre Alben, die ich immer wieder entdecke. Oldschool ist ein hervorragendes Album, das in die heutige Zeit passt und durch ihre einzigartige Stimme zu NENA wird. Popmusik ist so langweilig geworden, da man den Eindruck hat, dass die falsche Vorstellung von Ruhm, Fame und Geld im Musikbusiness die Bands und im letzten Jahrzehnt auch den Überfluss an Castingnasen steuert. Namen, an die man sich schnell nicht mehr erinnert. NENA hat sie alle überdauert und steht mit gleichbleibender Energie und Leidenschaft auch heute noch auf der Bühne. Sie ist, wie sie ist. Gott sei Dank im Kern mit vielem nicht konform und gleichgeschaltet. Das hier auf einen Angorakaninchen-Pullover aus den 80ern eingegangen wird, ist ein weiteres journalistisches Armutszeugnis. Jeder Mensch entwickelt sich weiter und ändert seine Einstellung zu den Dingen. Außerdem wird einem beim Film das angezogen, was einem Maske und Stylisten vorlegen. Dass sie heute gesund und bewusst lebt, wird von vielen durch den Kakao gezogen, dabei ist es doch ihr Ding. Für mich ist sie die größte Bereicherung der deutschen Musiklandschaft und ich hoffe sie macht noch lange, lange weiter Musik.

  • Ein ganz bescheuerter Artikel, voller Hass und so unsinnig und der es eigentlich nicht wert ist zu lesen.
    Da kann man eigentlich über den Verfassers des Artikels nur lachen.
    NENA ist super und wie ganz viele andere hoffe auch ich, dass sie noch lange Musik macht. Herr Ihle soll sich mal von Nenas Laune, Frohsinn und Lockerheit eine fette Scheibe abschneiden – Basta!!
    Klar, dass nicht alle den gleichen Geschmack haben und nicht jeder jedem gefällt, aber das ist auch gut so. Aber so einen Unsinn über jmd zu schreiben ist unmöglich.

  • @ Lox
    Nena ist unter anderem eine der SängerInnen, die viele neue Deutsch-LernerInnen mit als Erstes in ihren Kursen zu hören bekommen. Ihre Texte haben eine klare Aussprache, sind einfach verständlich und erzählen harmlose Geschichten. In seltenen Songs mit Bezügen zu Historischem.

    Ferner ist Nena ein Vorbild für die Geburtsstatistik und Arbeitswelt. Sie bekam früh Kinder, ihre Kinder ebenfalls. Sie verfolgte ihren Beruf mit wenigen zeitlichen Abstrichen nichtsdestotrotz erfolgreich weiter. Heute ist sie eine der jungen Omas, die ihren arbeitenden Kindern tatkräftig beim Betreuen helfen können.

    Ich höre ihre Musik übrigens kaum. Die Kategorie Volksmusik und Ähnliches, inklusive Helene Fischers Wirken, trifft meinen Geschmack nicht. Wie beim Essen gilt wohl auch für Musik: Geschmäcker sind unterschiedlich und über sie lässt sich genüßlich streiten. Toleranz!

  • Wow, Herr Ihle!
    Offenbar scheuen auch Sie wirklich keine Mühen, sich (¿aus Langeweile, persönlichem Frust oder Geldnöten?) am bestenfalls: Schmock-E-Publishing zu beteiligen.
    Welche ‚Befriedigung‘ könnte es Ihnen verschaffen, sich am Bashing von: who-the-fu**-is-Nena-!? durch auch Abschreiben von KollegenInnen-Artikeln zu beteiligen? Würde niemand Ihrer Zunft sie, „Nena“, or so, medial aus wohl nur ‚tiefenpsychologisch‘ ergründbaren Motiven immer wieder aufbacken: den allermeisten Lesern, Musikkonsumenten ginge jene längst am A**** vorbei!
    Oder ist es Ihre ganz persönliche Sorge um die auch bei Ihnen eines Tages anstehende „geriatrische“ Phase? Dito, einfach nur: „Schrecklich“ „infantil“, und so überflüssig, wie ’n Pickel am Po;
    Aber einem mit: „einem Abschluß in Marketing und Kommunikationswissenschaft“ wohl würdig, oder (doch) nicht?!

  • Is echt nett, dass ich in der taz Auszüge aus der ZEIT lesen kann. Ohne Vorwarnung (ich les von oben nach unten). Kann die taz solche netten Verrisse nicht selbst? Wenn ich diese dicke langweilige Zeitung lesen möchte, die sich viele mehr als Einrichtungsstück abonnieren denn zum Lesen, dann sitze ich irgendwo fest, jemand starrt mich aufdringlich an und ich möchte die Person durch Desinteresse langweilen.

    Die Schmähkritiken lese ich ansonsten gern. Nichts für ungut.

  • Na zum Glück hat jeder seinen eigenen Geschmack, Herr Hass. Stellen Sie sich vor jeder würde Sie KLASSE finden – über Jahrzehnte – und das mit der Dankbarkeit, sollte jeder lernen, egal ob es um Musik, Nena, Fische, Essen oder last but not least Gesundheit geht.
    Bei der Dankbarkeit geht’s los – und somit danke ich für Ihren Kommentar zu Nena – und freue mich wenn Nena uns weiterhin „beglückt“ und zeigt, dass die Mehrheit es offensichtlich nicht schrecklich findet 🙂

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