Als am gestrigen Morgen sich die Nachricht von David Bowies Tod verbreitete, dachte man zunächst noch an eine makabre Duplizität der Ereignisse, hatte das neue Bowie-Album doch erst am Freitag das Licht der Welt erblickt.
Doch nach und nach wurde deutlich, dass Bowie, Konzeptkünstler bis zum Ende, sein jüngstes Album im vollen Bewusstsein, dass es auch sein letztes werden würde, veröffentlicht hat. Produzent und langjähriger Wegbegleiter Tony Visconti veröffentlichte gestern auf Facebook dieses Statement:
He always did what he wanted to do. And he wanted to do it his way and he wanted to do it the best way. His death was no different from his life – a work of Art. He made Blackstar for us, his parting gift. I knew for a year this was the way it would be. I wasn’t, however, prepared for it. He was an extraordinary man, full of love and life. He will always be with us. For now, it is appropriate to cry.
Und natürlich: im jetzigen Wissen um sein Ableben sind die Zeichen, die Bowie ausgesendet hat, überdeutlich. Textzeilen wie „Look up here, I’m in heaven / I’ve got scars that can’t be seen“ und „Something happened on the day he died / Spirit rose a metre and stepped aside / Somebody else took his place, and bravely cried / (I’m a blackstar, I’m a blackstar)“ verkünden das nahende Ende und die beiden dazugehörigen, meisterhaften Videoclips zu „Lazarus“ und „Blackstar“ spielen unübersehbar mit Abschieds- und Todessymboliken. In „Lazarus“ trägt ein im Krankenbett liegender Bowie einen Verband auf dem Gesicht, darauf sind pro Auge je ein Knopf oder Stück gelegt, was unweigerlich an das Sterben in der antiken Mythologie erinnert, als den Toten eine geringwertige Münze auf jedes Auge gelegt wurde, das den Fährmann der Toten für die Überquerung des Flusses Styx in das Totenreich Hades entlohnen sollte.
Doch all die düstere Symbolik und erschaudernde Prägnanz seiner Worte einmal beiseite genommen, hat David Bowie mit „Blackstar“ tatsächlich sein bestes Album seit Jahren, ja Jahrzehnten, veröffentlicht. Dank einer sehr präzisen, progressiven Produktion hebt sich „Blackstar“ auch noch einmal deutlich vom ordentlichen „Comeback“-Album „The Next Day“ von vor zwei Jahren ab, das zwar durchaus seine Stärken wie den Berlin-Song „Where Are We Now“ hatte, aber im Gegensatz zu „Blackstar“ nicht diese düstere Dringlichkeit und diesen großen Entwurf als ein in sich geschlossenes Werk besaß.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=ZTzO2RiCOac[/youtube]
Insbesondere das zehnminütige Titelstück und die zweite Single „Lazarus“ heben sich dennoch ab. „Blackstar“ ist ein anspruchvolles, vertrackt geschichtes Lied, das wie eine stotternde Beschwörungsformel klingt, aber doch zwischendurch Licht in Form einer klassischen Bowie-Melodie hereinlässt, als würde für einen kurzen Moment der Starman eine okkulte Todeszeremonie besuchen. „Lazarus“ dagegen ist mit seinem schleppenden Rhythmus zunächst konventioneller, wird aber im Laufe seiner vier Minuten immer stärker von einem freigeistigen Saxophon (gespielt von Donny McCaslin) dominiert.
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=E_v5f9TfJrA[/youtube]
Bowies letztes Album ist keineswegs allein aus morbiden Gründen oder einer verklärenden Sicht heraus ein erstaunliches Album, sondern tatsächlich ein Werk, das für sich selbst stehen kann, musikalisch state of the art und für einen 69jährigen Künstler wirklich verblüffend progressiv ist.
Oh, I’ll be free
Just like that bluebird
Oh, I’ll be free
Ain’t that just like me?
Ja.
Ich finde das auch tatsächlich sehr passend, dass Bowie auch sein eigenes Ableben künstlerisch noch einmal betrachtet hat. Wie gesagt: eben ein Konzeptkünstler bis zum bitteren Ende.
Die extreme Nähe zwischen Release und Ableben ist tatsächlich etwas schockierend – andererseits aber zumindest eine gewisse Genugtuung, dass Bowie eben das tatsächlich noch selbst steuern konnte und es kein posthumes Werk geworden ist.