vonChristian Ihle 19.01.2016

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

1. Der Film in einem Satz:


Eine unreligiöse Western/Survival-Variante von Mel Gibsons Leidensepos “Die Passion Christi”.


2. Darum geht‘s:


Wir schreiben die 1820er Jahre: Der Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio, hier in einem einzigen, langen und lauten Schrei nach einem Oscar zu sehen) wird von einem Bären attackiert und lebensgefährlich verletzt. Nachdem seine Kollegen zunächst noch versuchen, den schwer verletzten Glass durchzuschleppen, beschließen sie in Erwartung seines sicheren Todes, ihn aufgrund des immer unwirtlicheren Klimas zurückzulassen.
Doch als Glass beobachten muss, dass sein Sohn von einem der bei ihm verbliebenen Trapper ermordet wird, erwachen letzte Lebensgeister und verschafft ihm der nun alles beherrschende Rachedurst die Kraft, sich alleine schwerverletzt durch den Winter zu schleppen.


[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=LoebZZ8K5N0[/youtube]


Was folgt ist eine beinah zweistündige Erzählung unendlichen Leidens, eine Passionsgesichte in der äußeren Form eines Westerns in einer Eiswüste. Die Natur ist der unerbitterliche Gegner von Glass und Inarritu erzählt von der unnachgiebigen Härte der Wildnis wie ein Werner Herzog in seinen existentialistischsten Mensch-gegen-die-Natur-Momenten in “Aguirre” und “Fitzcarraldo”. Die Bilder des Terence-Malick-Kameramanns Emmanuel Lubezki kleiden diesen (Über-)Lebenskampf in – trotz aller Schroffheit – beinah außerweltliche Schönheit (wenn das keinen Oscar für Lubezki bedeutet, weiß ich auch nicht mehr!).
“The Revenant” ist kein Vergnügen, sondern anstrengende zweieinhalb Stunden Darstellung von Leid auf Schmerz auf Leid und ähnlich wie Mel Gibsons “Passion Christi” nie weit entfernt von einer Art Schmerzensporno. Vor allem im dialogfreien vierzigminütigen Mittelteil folgt Schmerzens-Set-Piece auf Schmerzens-Set-Piece, ein Torture Porn, bei dem die Natur den Folterer gibt.
Das kann man auch kritisieren und es stellt sich – befremdlich genug – tatsächlich der Effekt ein, dass diese unablässige Überbetonung von Leid uns Zuschauer abstumpft und letzten Endes kalt lässt. Doch mit etwas Abstand bleiben vor allem die Bilder von Lubezki und die Konsequenz in Inarritus Inszenierung, die noch lange nachwirken.

Zudem muss man einfach den Hut davor ziehen, dass tatsächlich ein Hollywood-Studio dem “Birdman”-Regisseur 130 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat, um ein eigentlich so dermaßen unkommerzielles Projekt ohne Abstriche an die künsterlischen Ambitionen zu vollenden.
“The Revenant” ist Inarritus “Fitzcarraldo”.



3. Der beste Moment:


Die beeindruckendste Tierszene ist nicht – wie vielfach geschrieben – die Bärenattacke, sondern die Übernachtung IN EINEM PFERD, um dem Kältetod zu entfiehen.


4. Diese Menschen mögen diesen Film:


Wer das Konzept “Spaß haben” im Kino für überbewertet hält und unmenschliches Leiden in den wahnsinnigsten Breitwandfilmbildern sehen möchte.


* Regie: Alejandro G. Inarritu
* imdb

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2016/01/19/the-revenant-regie-alejandro-g-inarritu/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert