„Mitten in Zürich ist der Swissmill-Turm fertiggestellt. Der Kornsilo setzt einen neuen städtebaulichen Akzent in der Limmatstadt – als grauer, fensterloser Betonklotz. In Basel lacht man sich ins Fäustchen.
Jetzt, wo der Kran abgebaut ist, lässt sich der Betonkubus in seiner ganzen Hässlichkeit erfassen. 118 Meter hoch ragt der schmale Swissmill-Turm am Zürcher Sihlquai in den Himmel, ohne ein einziges Fenster, abweisend mit seiner grauen, fast ungestalteten Fassade.
So empfängt das neue Wahrzeichen der Limmatstadt den Besucher, der von Westen kommt, mit dem Charme eines sowjetischen Kriegsdenkmals in den masurischen Sümpfen. Ein Kriegsdenkmal ist es aber nicht, sondern ein frisch betoniertes Museumsstück, das nach Meinung der Stadtregierung die Erinnerung an das Handwerk im ehemaligen Industriegebiet bewahrt.(…)
Tatsächlich wurde hier ein Symbol für städtebauliche Verirrung gemauert. (…) Die Zürcher SP verlor, trunken von irrationaler Industrieromantik, das kühle Denkvermögen und überhöhte diesen 118 Meter hohen Kornbehälter zu einem urbanistischen Vorzeigeprojekt. Grosszügig wurde übersehen, dass eine von Computern vollautomatisch gesteuerte 24-Stunden-Mühle mehr dem Kontrollraum eines AKW ähnelt als Werkstätten des 19. Jahrhunderts.
(…)
Heute sieht man, dass dieser Betonbau eine urbanistische Sünde der Sonderklasse darstellt, begangen in einer Stadt, die im Kleinen mit Argusaugen für gestalterische Gesinnung kämpft und Marronihäuschen, Bootsstege, Abfallkübel von Architekten designen lässt, damit das Stadtbild nicht verunstaltet werde. Sinnvoller wäre es doch, man würde diesen Furor auf Betonkuben von 118 Metern Höhe anwenden, selbst wenn es sich dabei um ein «schlankes Symbol der elementaren Brotproduktion» handelt. Man wäre dann vielleicht zum Schluss gekommen, dass nicht bauen besser ist als bauen. Oder wenigstens ästhetisch bauen besser als hässlich.“
(Felix E. Müller in der NZZ)
(mit Dank an Daniel!)
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