„Eine ganze Kohorte an Autoren, Komponisten und Produzenten hat an diesem demonstrativ intim und persönlich daherkommenden Album mitgewirkt. Zum Beispiel Andreas Herbig, der schon Lindenbergs letzte Platte „Stark wie zwei“ aus dem Jahr 2008 produzierte und ansonsten den schläfrigen Schmusesoul von Ich+Ich zu verantworten hat und die Wir-sind-wieder-wer-Bierzeltmusik von Andreas Bourani („Auf uns“). (…) Ali Zuckowski, der zuletzt das furchteinflößende „Muttersprache“-Geknödel von Sarah Connor produzierte; oder auch Simon Triebel, der als Gitarrist von Juli und Produzent von beispielsweise Tim Bendzko und Mark Forster eine der zentralen Figuren der aktuellen Bausparvertrags-Neospießer-Gefühligkeitspopmusik ist.
Sie alle gemeinsam haben für das Album einen professionellen, rundum radiotauglichen, aber darin eben auch – man kann es nicht anders formulieren – verwechselbar konturlosen und konsequent klebrigen Konfektionsklang erschaffen, der wenigstens bei mir schon nach zweimaligem Hören das dringende Bedürfnis nach dem Besuch eines Hals-Nasen-Ohrenarztes erzeugt. Fast alles bewegt sich in mittlerem Tempo voran, und fast alles ist formelhaft und vorhersehbar. (…)
Es ist so schade, dass die Musik so schlecht ist! (…) weil der seifige Sound gerade die inneren Risse verschmiert, die ihn als Figur interessant und eigentlich auch erst erträglich gemacht haben. In den guten Momenten seiner Karriere changierte Lindenberg stets zwischen der Inszenierung als authentischem Typen und Selbstkarikatur, zwischen ernsthaftem Nicht-identisch-sein-wollen mit der Welt und den irreduzibel peinlichen Posen des genuin nicht ernstzunehmenden Berufsjugendlichen.
Gerade dieser Mut zum riskanten Umgang mit der eigenen Identität geht der Musik auf der neuen Platte aber vollständig ab. (…) „Stärker als die Zeit“ bietet bloß Malen-nach-Zahlen-Balladen, in denen die durch Ambivalenz überhaupt erst möglich gewordene Größe von Udo Lindenberg in tragischer Art zur öden Pose eines von sich selbst gerührten Rockrentners schrumpft.
(Jens Balzer in der Berliner Zeitung)
Mit Dank an Björn!
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Es ist so schade, dass die Taz mit ihrem Geltungsdrang eben anders zu sein, immer so peinlich nölig daneben liegt.