vonChristian Ihle 28.11.2017

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Manchmal muss man sich schon wundern: wie kann es sein, dass ein kleiner Pay-TV-Sender wie TNTserie nun schon zum zweiten Mal in Folge eine Eigenproduktion hinbekommt, die alle etablierten Sender in den Schatten stellt?

Im letzten Jahr sorgte TNT Serie mit der vor allem filmisch hervorragenden Mystery-Serie „Weinberg“ (aktuell auf AmazonPrime, Kritik siehe hier) für ein bemerkenswertes Ausrufezeichen, das nun mit dem Gangster/Polizei-Thriller-Drama „4 Blocks“ noch übertroffen wird. Die vier Millionen teure erste Staffel kostet dabei gerade mal ein Fünftel der groß beworbenen „Babylon Berlin“ – Event-Produktion und zeigt doch so viel mehr Qualität.

Serien-„Creator“ Marvin Kren hatte zuvor mit den zwei ordentlichen Genre-Filmen „Blutgletscher“ und „Rammbock“ auf sich aufmerksam gemacht, doch die Klasse von „4 Blocks“ konnte man in seinen Spielfilmen noch nicht erahnen. Dank einem gut geschriebenem Buch mit etlichen faszinierenden Charakteren, brillantem Casting abseits der üblichen Fernsehnasen und seinem rauh-authentischen Flair überragt „4 Blocks“ so ziemlich jede deutsche Fernehserie der letzten Jahre.

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Frederick Lau ist hier in seiner Paraderolle als Berliner Straßenköter so gut wie seit „Victoria“ nicht mehr und Kida Khodr Ramadan als Gangchef Tony eine große Entdeckung. Ramadans Rolle ist der entscheidende Knackpunkt: hätte die Saga um Neuköllner Straßenbanden nicht eine vielschichtige Figur in ihrem Zentrum, deren Gegensätzlichkeiten Ramadan so gekonnt mit Leben füllt, wäre „4 Blocks“ nur halb so viel wert. Die Figur des Bandenchefs, der der Verbrechen müde wird und sich nach einem bürgerlichen Leben sehnt, ist natürlich eine offensichtliche Verbeugung vor Al Pacinos Michael Corleone aus dem ersten Teil von „Der Pate“ – nur nicht vom Beginn der Karriere, sondern ihrem Ende her gedacht. Dass Ramadan in diese Figur dennoch die nötige Brutalität legt, ohne dabei die Sentimentalität nur zu behaupten, ist entscheidend. Nur so wird auch der innerfamiliäre Zwist mit seinem jüngeren Bruder Abbas (von Rapper Veysel genau richtig etwas over-the-top angelegt) um die zukünftige Ausrichtung – Straße vs. Establishment – nachvollziehbar.
In diesem Konflikt finden sich Anklänge an die goldene dritte Staffel der großen Crimeserie „The Wire“ wieder, die damals auch gekonnt Gangster-Stereotypen verneinte und den möglichen Ausstieg in die Bürgerlichkeit in der Figur des Stringer Bell thematisierte.

Über den Lauf der sechs Episoden spitzen sich Kämpfe auf vielen Ebenen zu – zwischen Polizei und Gang, zwischen Bikern und Arabern, zwischen Brüdern – und finden in einer denkwürdigen Endsequenz ihre schlüssige Auflösung. Wer „4 Blocks“ nicht schaut, soll nie mehr über das deutsche Fernsehen schimpfen dürfen – hier ist sie endlich, die deutsche Fernsehserie derer man sich vor englischen oder amerikanischen Freunden nicht mehr zu schämen braucht.

Ausstrahlung:
* ZDFneo, ab 28.11., 23.15 Uhr

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