Da „Brexit – The Uncivil War“ natürlich ein politischer Film ist, stellt sich die Frage, inwieweit man ihn wirklich nur auf einer ästhetischen Ebene beurteilen kann.
Deshalb zwei getrennte Gedankengänge dazu.
Als Film an sich, als Politdrama mit zum Teil ins karikatureske neigenden Charakteren, ist „Brexit – The Uncivil War“ höllisch unterhaltsam und flott inszeniert, zuweilen ein „A Clockwork Orange“ der britischen Politik. Darüberhinaus gelingt es „Brexit“ tatsächlich einige der zentralen Fragen unserer Tage zu stellen, den Drang zum Populismus schlüssig aufzubereiten, die Bereitschaft der Bevölkerung, die Dinge tanzen zu lassen sowie die bis dahin ungekannte Macht der sozialen Medien zur Beeinflußung der politischen Meinung zu zeigen.
In dieser Hinsicht ist „Brexit – The Uncivil War“ eben auch kein schnöder Film über die britische Innenpolitik mehr, sondern eine Analyse, die Gültigkeit für das Trump-Amerika wie die ostdeutschen AfD-Landstriche beanspruchen kann.
So empfehlenswert ich „Brexit – The Uncivil War“ auf dieser filmischen Ebene finde, muss ich trotzdem die Darstellung seines (realen) Hauptcharakters Dominic Cummings, dargestellt von Benedict Cumberbatch, hinterfragen. Wer mit der britischen Politik nicht vertraut ist, dem sei als handlicher Cummings-Vergleich ein ‚intellektueller Steve Bannon‘ nahegelegt: Der Strippenzieher im Hintergrund und Meister der dunklen Mächte, der das Land willentlich in den Abgrund stürzt und nicht viel mehr als die Zerstörungslust und den Willen „to shake things up“ in sich trägt. Der jedenfalls sicher keine Alternative, die ein besseres Leben für alle verspräche, in Petto hat.
Cummings wird von Cumberbatch zwar als soziopathischer Egomane dargestellt, aber eben auch als das Genie im Hintergrund, als der unbeugsame Aufrüttler, der alle anderen und insbesondere das „Establishment“ vorführt. So wird Cummings mindestens zum Anti-Hero dieser Geschichte. Selbst Kevin Spacey hatte seinen Frank Underwood in „House Of Cards“ mit mehr abschreckender Bösartigkeit unterlegt als Cumberbatch seinen Cummings. Dass „Brexit – The Uncivil War“ ganz am Ende beginnt, diese Positionen etwas zu hinterfragen, ist dann schlicht: too little to late.
Bei einem so aktuellen Thema diesem Narrativ des genialen Kämpfers gegen das Establishments so in die Hände zu spielen, ist aus meiner Sicht mindestens grenzwertig, sicherlich naiv, selbst in eine populistische Falle tretend – und letztenendes auch eine verschenkte Gelegenheit, filmisch einen Konflikt aufzubereiten zwischen der Frage einer notwendigen Veränderung des Status Quo und der puren Lust an Zerstörung, die selbst keine Antworten kennt.