Lara Jenkins feiert 60. Geburtstag.
Wobei „feiern“ wahrscheinlich das falsche Wort für die misanthropische Dame ist. Wir folgen ihr einen Tag durch Berlin, der morgens mit einem Polizeieinsatz beginnt und abends auf dem Klavierkonzert ihres Sohnes endet. Entfremdung und Verzweiflung, die sich in Verhärtung gewandelt hat, bestimmen Laras Leben und machen es ihr unmöglich, eine ausgestreckte Hand anzunehmen oder selbst Zuneigung zu zeigen. Auch in besten Absichten schlägt ihr Lebensfrust in eine beinah soziopathische Abneigung gegen ihre Mitmenschen um. Erst spät erkennen wir die Verletzungen durch zerstörte Lebensträume, die sie wiederum an ihren Sohn weitergegeben hat und so als Getriebene ihrer eigenen Vergangenheit die Gegenwart der Menschen in ihrem Umfeld zerstört.
Jan-Ole Gersters erster Film seit „Oh Boy“ ist ein Spiegelbild seines Debüts. Auch hier streift eine Person durch West-Berlin und erzählt ihre Lebensgeschichte durch Begegnungen mit anderen, nur dass Tom Schillings Über-Slacker aus „Oh Boy“ hier einer vom Lebensfrust hart gemachten Corinna Harfouch weicht. Harfouch spielt diese Rolle, die so schnell ins zu Komisch-Misanthropische kippen könnte, phänomenal. Die deutsche Isabelle Huppert hält ihre Lara in einem nachfühlbaren Gleichgewicht aus Frust, Überlegenheit, Sarkasmus und Gemeinheit.
„Lara“ ist wunderschön gefilmt und akkurat ausgerichtet in symmetrischen Tableaus wie in besten Ulrich Seidl – Filmen und der Blick auf eine verhärtete Bourgeoisie spiegelt einen lebensnäheren Chabrol wieder. Sieben Jahre hat es gedauert, bis Gerster endlich seinen zweiten Film gedreht hat, aber auch mit „Lara“ gelingt ihm wieder einer der besten Filme des Jahres.