vonChristian Ihle 22.09.2020

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Jedes Jahr reisen die Lokalbetreiber in Wägen an und präsentieren dabei ihre feisten Familien. Fröhliche Blondinen, bärtige Männer, dicke Kinder, die ganze bayrische Pracht. Brauereipferde mit kraftstrotzenden Muskeln führen die Prunkgespanne mit scheppernden Geschirren und gleichen den Bayern in strammer Untersetztheit ums Haar. (…)

Die Bayern sind grob wie die Österreicher, aber weniger geschwächt vom Wein, der den Körper eher auszehrt und nicht wie Bier einen schwammigen Panzer aus Östrogenen schafft, welcher einen gegen alle Herausforderungen des Lebens schützt. Die Bayern sind wie Turboösterreicher, optimistisch blicken sie in die Zukunft ohne Selbstmitleid und slawische Schwermut.

Es sind die drallsten deutschsprachigen Stämme vereint zu einem Pfropfen, der jeden geistigen Fluss luftdicht verschließt und einen vor krankmachender Grübelei bewahrt. Sie sind wie Tiroler mit weniger Haargel, sie sind ein Faustschlag auf den Tisch, sie sind ein Rammbock ins Gehirn. Ihre Gesichter sind angenehm rund und die Nasen klein, alles passt zusammen und ist doch hässlich auf eine ehrliche Art. Ein schöner Kopf fällt in diesem Zug sofort auf, er passt nicht hinein, er ist zu glatt.

Schönheit ist unter diesen Gesichtern wie eine Fastfoodkette auf dem Biobauernmarkt, charakterlos, ihr fehlt das urtümlich G’schmackige. Schönheit entsteht durch genetische Durchmischung weit entfernter Regionen, doch hier hat man noch das vertraut Heimatliche: den zünftigen Charme reinrassiger Inzestgesichter auf fassförmigen Körpern, die jedem Sturm standhalten. (…)

Eine Gruppe von 18-jährigen Polizisten versucht indes, die brodelnde Masse im Zaum zu halten. Motiviert sprinten sie von einem Ende der Wiesn zum andern. Ihr Gang ist hüpfend, sie strahlen, denn sie dürfen heute ihre ersten Ausländer verhaften.“

(Stefanie Sargnagel über das Münchner Oktoberfest im Standard)


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