vonChristian Ihle 19.02.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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BlackBerry (Regie: Matt Johnson)

Einer der besten Tech-Economy-Filme bisher.

„BlackBerry“ erzählt Aufstieg und Fall der gleichnamigen kanadischen Handy-Revoluzzer-Company: Vom ersten Prototyp 1996 zum Anfang vom Ende, der Einführung von Apples iPhone 2007.

Besonders gut gelingt Regisseur Matt Johnson die einzelnen Puzzleteile zu zeigen, die ein Welterfolg benötigt. Auch wenn sein Herz natürlich bei den Nerds und Freaks ist, macht er schon auch bewusst, wie sehr eine Wirtschaftsperspektive, Verhandlungsgeschick und, ja, Marketingbullshit ebenso dazu gehören, aus einer genialen Idee eine weltverändernde Firma werden zu lassen. Glenn Howerton als „Co-CEO“-Arschloch schultert hier die meiste Arbeit, indem er seinen Jim Balsillie zwar sicher unsympathisch spielt, aber immer klar macht, wie sehr BlackBerry nur durch die Verbindung aus Erfinder-Genie (Jay Baruchel als Mike Lazaridis) und der Kunst der Verpackung zu dem ersten großen Player in diesem, nun unser aller Leben bestimmenden Markt wurde.

„BlackBerry“ ist im Witz näher an der SitCom „Silicon Valley“ als an dramatisierten Startup-Serien wie „The Dropout“, schafft aber trotz der wohl jedem zumindest in Umrissen bekannten Geschichte genug Spannung aufzubauen, wenn gegen Ende die Baustellen sich vervielfachen und die Macher von Meeting zu Meeting hetzen, um ihre Firma mit allen, auch illegalen, Tricks am Leben zu erhalten.

Interessant ist zudem, dass „BlackBerry“ wie das erste richtige Period Piece der Nuller Jahre wirkt. Klar, es gab auch schon „Steve Jobs“ (Danny Boyle, 2015) und „Social Network“ (David Fincher, in fucking 2010!), aber nun scheint genügend Abstand zum Nuller Jahrzehnt vorhanden zu sein, dass „2002“ nicht mehr wie eine Geschichte aus dem Jetzt, sondern aus dem Damals klingt.

Absurde Moden, Computerspiele und Filme von damals inklusive – und natürlich die Musik: The Strokes („Someday“) und White Stripes („Hello Operator“), um ein vergangenes Jahrzehnt zu betonen.

The Survival Of Kindness (Regie: Rolf de Heer)

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Wenn es einen deprimierenderen Film auf dieser Berlinale geben sollte, ich möchte ihn nicht sehen. Was unangenehm als rassistisches Kolonialdrama beginnt, nimmt nach einer qualvollen Kammerspiel-Viertelstunde in einem Eisenkäfig in sengender Sonne in weiter Wüste eine Abzweigung in noch viel düstereres Terrain und wird zu einer richtigen Dystopie. Wenn BlackWoman (so der Rollenname, stark gespielt von Mwajemi Hussein) nach langem Marsch in der sengenden Sonne endlich Überreste menschlichen Lebens trifft, dann zunächst eingestürzte Häuser, schuhklauende Fremde, Totkranke, Irre. Sonst: Erhängte, Gefressene, beim Scheißen Erschossene. Und dann: in Gasmasken gekleidete Weiße, die alle Schwarzen quälen, versklaven oder gleich erschießen. Scheint für einen Moment die Idee einer Befreiung denkbar, wird dieser Schimmer an Hoffnung mit so viel Gnadenlosigkeit ausgetreten, dass nur noch der Weg zurück in den Eisenkäfig, in die sengenden Sonne, in die weite Wüste bleibt. Wenigstens sind dort keine Menschen.

Kiddo (Regie: Zara Dwinger)

„Bonnie & Clyde“ in der Mutter-Tochter-Version.
Eine leicht durchgeknallte, verhinderte Schauspielerin kehrt aus dem Nirgendwo zurück, um ihre Tochter aus dem Pflegeheim zu entführen und gemeinsam nach Polen abzuhauen.

Das Road-Movie hat einige schöne Szenen und bringt vor allem gut die Wehmut der Tochter auf die Leinwand, die so gern eine Mutter hätte, aber auch erkennt, dass ihre Ma nicht stark genug ist, um diese Rolle zu erfüllen.
Mit etwas zu viel visuellen Spielereien umgesetzter Coming Of Age Film.

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