Disco Boy (Regie: Giacomo Abbruzzese)
Eine Geschichte in drei Ecken der Welt: Alexei will aus Weißrussland illegal nach Frankreich emigrieren, findet als einzige Option für eine Aufenthaltserlaubnis den Weg zur Fremdenlegion und muss so gegen ein nigerianisches Rebellendorf kämpfen.
Am Ende landet Alex in Paris, die Wunden der Flucht und der eigenen Taten verfolgen ihn. Erlösung gibt es nur in der Verschmelzung mit dem zugefügten Schmerz und der Trance im Tanz.
Beeindruckend auf vielen Ebenen: Franz Rogowski brilliert in der Hauptrolle, der szenenleitende Score der französischen Electro-Band Vitalic ist mal pulsierend, mal flächig und die Aufnahmen des ausgebeuteten Nigeria erinnern an Herzogs „Lektionen In Finsternis“.
Auch wenn das letzte Drittel mit seinem Übergang ins Metaphysische etwas abfällt, ist „Disco Boy“ ein beeindruckendes Spielfilmdebüt von Giacomo Abbruzzese.
Reality (Regie: Tina Satter)
Reality Winner war eine Whistleblowerin, die Informationen über russische Manipulationsversuche bei der US-Präsidentschaftswahl an die Presse weitergab – und dafür fünf Jahre eingekerkert wurde, obwohl nur zwei Tage nach ihrem Leak die Informationen regulär veröffentlicht wurden.
Regisseurin Tina Satter inszeniert hier ihr eigenes Off-Broadway-Play für die Leinwand und vertraut wie im Theaterstück zu 100% auf die mitgeschnittenen Tondokumente der Erstvernehmung von Reality Winner. Dass daraus ein spannender 90minütiger Film gelingt, ist um so erstaunlicher. Besonders beeindruckend ist Sydney Sweeney in der Hauptrolle, die als patriotisches Girl Next Door mit security clearance einfach zu viel hatte vom Irrsinn der Trump-Ära und ein einziges Dokument an die Öffentlichkeit brachte.
Wie zwei FBI Agents sie smart einwickeln und zu einem Geständnis bringen ist der ganze Film, aber in seiner Reduziertheit dennoch überzeugend.
Mad Fate (Regie: Soi Cheang)
Ungewöhnliche und sich nicht wirklich ergänzende Mischung aus Serienmörderfilm mit harten Kills und einer Schicksal-Wechsel-Dich-Beschwörungskomödie mit heftigem Overacting. Viel zu viel Einsatz von nicht notwendigem CGI (Katze, Blut, Regentropfen…), aber auch irritierend lustige Feng Shui – Umdekorierereien zu einem „Radetzky-Marsch“-Soundtrack. Ich weiß doch auch nicht.