The Fabelmans (Regie: Steven Spielberg)
Dieser semibiographische Ausflug Steven Spielbergs in seine eigene Jugend ist eine oft charmante, große Liebeserklärung an das Kino.
Nachdem der junge Sammy mit seinen Eltern „The Greatest Show on Earth“ von Cecil B DeMille im Kino sieht, ist er verloren an die Welt des Films. Von jetzt an dreht er daheim Unglücksszenen mit der Spielzeugeisenbahn, Mumienfilme mit seinen in Klopapier gewickelte Schwestern oder gleich ein Remake von „The Man Who Shot Liberty Valence“ mit Pfadfindern. Parallel dazu verschlechtert sich die Familiensituation, die Stimmungsschwankungen der Mutter zeigen sich deutlicher (Spielberg erfindet hier die Manic Pixie Dream Mom), die Risse im guten Leben werden auch durch mehrere Umzüge größer. Was Sammy bleibt, ist der Film.
„The Fabelmans“ ist trotz zweieinhalb Stunden Spielzeit erfreulich kurzweilig und einer der besseren Spielberg-Filme der letzten 15 Jahren. Sammys Coming Of Age Story wird schön verwoben mit einer Liebe zum DIY-Geist. Die von ihm gedrehten Filme sind ausführlich zu sehen und haben – bei aller technischen Perfektion – den großen Charme des Kleinen.
Allerdings wird das zentrale Thema des Films – Liebe zur Kunst vs Liebe zur Familie/Leben – für mich nie wirklich klar, obwohl es sogar explizit als Gegensatzpaar ausgesprochen wird. Denn weder Sammys Drang zum Film noch Mutters Trauer über die nie umgesetzte Pianistinnen-Karriere sind letzten Endes wirklich die treibenden Kräfte für ein Auseinanderfallen der Familie.
Ganz am Ende gelingt Spielberg aber noch ein Geniestreich. Der nun hart an Hollywoods Tür klopfende Sammy wird aus einem Bewerbungsgespräch mit einem wohlmeinenden Produzenten mit den Worten „gegenüber sitzt der größte Regisseur aller Zeiten“ in das Nachbarbüro geschoben.
Die Tür geht auf und ein augenklappentragender David Lynch als John Ford kommt hereingestolpert. Sammys dreiminütige Audienz bei Ford/Lynch besteht aus zwei Minuten Zigarre-Anzünden und dem Satz:
„When the horizon’s at the bottom, it’s interesting. When the horizon’s at the top, it’s interesting. When the horizon’s in the middle, it’s boring as shit. Now, good luck to you.
And get the fuck out of my office!“.
Das Lehrerzimmer (Regie: Ilker Çatak)
Ilker Çatak ist mit „Das Lehrerzimmer“ ein richtig starker Schul-Film gelungen, der etliche Erwartungen unterläuft. Denn was wie ein typisches Problemschuldrama beginnt, wird nach und nach zu einem tight erzählten Krimi im Lehrerzimmer mit sich gegenseitig verstärkenden emotionalen Konflikten zwischen Lehrern und Schülern, Eltern und Direktorium.
Dank der sehr starken Leistung von Leonie Benesch als junge, idealistische, aber auch sturköpfige Lehrerin wirkt Çataks Film so echt, dass die Spirale der Eskalation und die sich gegenseitig zugefügten Verletzungen immer glaubhaft bleiben. Ein Höhepunkt ist der ins Chaos driftende Elternabend, der fast physisch schmerzt.
Im Subtext verhandelt Çatak zudem noch Fragen, inwieweit die Sünden der Eltern die Entwicklung der Jungen beeinflussen dürfen, wieviel Unterstützung anderer gegen das eigene Wohl sinnvoll ist, welche Verantwortung Lehrer tragen und wie oft die Frage nach dem moralisch Richtigen gar nicht so klar beantwortet werden kann wie gedacht.
Der neben Petzold vielleicht beste deutsche Film der Berlinale.
Hello Dankness (Regie: Soda Jerk)
We tried to scream but all that came out was a Meme
So we made this film
So that all the weirdness and dankness
Would not be lost in time
like Memes in rain.
Rein technisch ein Meisterwerk der Sample-Kunst. Aus Hunderten von Filmen bastelt das australische Künstlerduo Soda Jerk eine alternative Welterzählung des Zustands USA seit Trump. Beispielsweise ist der Tom Hanks aus „Meine teuflischen Nachbarn“ nun ein Bernie-Sanders-Bro oder sind die „Wayne’s World“-Dudes Alt.Rightler. Dass „Hello Dankness“ dennoch als durcherzählte Geschichte wirkt, ist tief beeindruckend.
Geschenkt, dass Soda Jerk nun natürlich auch nicht die Welt neu erklären können. In vielen Punkten sind sie stark der US-Progressive-Left-Left verhaftet, was auf mich wiederum wie eine Relativierung von Trump & Co wirkt (weil: Biden halt doch nicht so schlimm wie Trump, ne?).
Dennoch ist Soda Jerk ein fasziniernd moderner, politischer Film gelungen.
Die Meme-Kultur des Internets wurde noch nie so gut in einen Spielfilm gepresst.
P.S.: Das Eingangszitat stammt aus der Rede, die Soda Jerk vor dem Film verlesen haben. Sehr schönes Blade-Runner-Zitat am Ende und ein gutes Symbol, wie dieser Film gleichzeitig Filmgeschichte und Meme-Kultur ist.