Heikos Welt (2021, Regie: Dominik Galizia)
zur Leihe bei Magenta, Amazon, Apple & Co
Sympathische Berliner-Eckkneipen-Komödie, um einen vom Leben nicht mit Glück überschütteten Typen, der seinen Halt am Tresen und sein Heil an der Dartsscheibe findet… bis er dort die rothaarige Jadefuchs trifft, beim Pfeile werfen verliert und dafür von Amor getroffen wird, sich in einen wilden Einbruch in Roberto Blancos Privatwohnung verwickeln lässt, um dort die für lebenslange Kneipenverdienste verliehene, überlebensgroße Sterni-Flasche zu stehlen.
Doch dann: Jadefuchs eigentlich doof, mit nem Hipster zusammen und so trifft man sich am Ende an der Dartscheibe beim großen Finalturnier in der Weddinger Kneipe „Beim Dicken“ wieder…
Die Stärke von „Heikos Welt“ liegt vor allem in der authentischen Eckkneipenstimmung, die auch der manchmal alberne Plot nie ins Lächerliche zieht. Das ist alles gelebt, die Rauchschweden hängen im Bild, die echten Wirte laufen durch die Kneipen (soweit ich das beurteilen kann: zumindest die Mutti vom Warthe-Eck jedenfalls gleich wieder entdeckt), die Eckkneipen sind eben tatsächlich genau die echten Lokalitäten.
Trägt erstaunlicherweise über seine zwei Stunden Spielzeit. (6/10)
Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023, Regie: Peyton Reed)
auf Disney+
Nach zwei durchaus überraschend überzeugenden „Ant-Man“-Filmen ist „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ leider ein Rohrkrepierer, der zeigt, dass Marvel überhaupt nicht verstanden hat, was die beiden Vorgänger zu so charmaten Episoden im MCU gemacht hatte. Gerade die Verankerung im Realen (jaja, ich weiß. Wir sprechen hier über einen Typen, der sich auf Ameisengröße schrumpfen lassen kann…) und die damit einhergehende Nachvollziehbarkeit waren die Stärken von „Ant-Man“.
„Quantumania“ dagegen spielt zu 95% außerhalb unserer Welt in einer im üblichen Marvel-Kitsch CGI-generierten „Quantenwelt“ und wirkt als ob man jemandem beim Spielen eines Sci-Fi-Konsolen-Spiels zuschauen würde. Die Story ist selbstredend hanebüchen, aber selbst in der Logik der Geschichte teilweise frech hinsichtlich des Vorenthaltens von Informationen (Michelle Pfeiffers Charakter) oder Deus-Ex-Machina-Momenten, die aus DEM VÖLLIGEN NICHTS heraus den großen Endkampf entscheiden (Michael Douglas‘ Ameisenarmee).
Schade erstens um die Ant-Man-Legacy, denn hiermit schließt auch der sympathische Ameisenmann nun an den großen Mist der „Phase 4“ des MCU an, und zweitens um Jonathan Majors Verkörperung des Bösewichts Kang, in der eine erstaunliche Subtilität und Traurigkeit angelegt ist (zumindest zunächst… bis natürlich im üblichen Endfight alles auf die dümmstmögliche Konfrontation heruntergeregelt wird). (4/10)
The Immigrant (2013, Regie: James Gray)
auf mubi
Wie (fast) immer arbeitet sich James Gray am Untergrund und dem Überleben in New York ab.
Diesmal allerdings mit weitem Bilck zurück: Marion Cotillard kommt als junge polnische Immigrantin mit ihrer Schwester in Ellis Island an, kommt aber sofort in bürokratische Schwierigkeiten, so dass Joaquin Phoenix als weißer Ritter herbeireiten kann. Doch: der weiße Ritter will zunächst das übliche (Geld, Körper), später nicht mehr unbedingt das – aber dafür den Rest (Herz, Kopf).
Gray zeigt in seinem Film gut die Unausweichlichkeit von Abhängigkeiten in Notsituationen, auch wenn sich zwischendurch manchmal Längen einstellen. Stark allerdings, wie er Joaquin Phoenix‘ Charakter in ein Zwischenreich aus Unausstehlichkeit und Mitleid bugsiert. (6/10)
The Potemkinists (2022, Regie: Radu Jude)
auf mubi
Kurzfilm von Radu Jude über die Idee, ein Monument zu Ehren der Besatzung des Potemkinschen Panzerkreuzers zu bauen – und die vielen, vielen Schwierigkeiten, die das ergeben könnte.
Schön nach allen Seiten beißende Analyse von herrschenden Befindlichkeiten. Mit besserem rumänischem Kontext wahrscheinlich direkt zugänglicher, aber auch sonst eine kurzweilig-intellektuelle Abhandlung über das Nichtaneckenwollen und notwendige (you decide!) Kompromisse von Kunst. (6/10)
Tausendschönchen (1966, Regie: Věra Chytilová)
in der Arte Mediathek bis 17.8.23
Ich bevorzuge meinen Surrealismus in der verstörenden Art, was am Ende dazu führt, dass mir Maya Deren lieber ist als Vera Chytilová.
„Daisies“ sprüht über vor Spielfreude und ist in seinem Kontext betrachtet – ein bunt bemalter Brief aus dem Kommunismus von 1966 – wahrscheinlich auch sehr wagemutig. Filmisch toll anzuschauen, aber auch völlig überdreht und immer am Anschlag auf die Nerven.
Aufgrund der tollen Bilder – sowohl in grellsten Farben wie in schwarz-weiß – noch eine 5/10. 28bester Film aller Zeiten nach Sight & Sounds Zehnjahresumfrage (2022) allerdings aus meiner Sicht sicher auch nicht.
Limbo (2021, Regie: Soi Cheang)
gerade auf DVD erschienen & bei Amazon, Google, Youtube
Thriller aus Hongkong, der weniger über seine Serienkillerschnitzeljagd reüssiert als durch die bedrückende Atmosphäre und die monochrome Molochwelt, die er in seinen Schwarz-Weiß-Bilder entwirft. „Limbo“ suhlt sich trotz der Film-Noir-Eleganz seiner Kamera im Müll der verregneten Großstadt. (6/10)
Kill List (2011, Regie: Ben Wheatley)
auf Freeve
Auch mehr als ein Jahrzehnt später bleibt „Kill List“ bei einer erneuten Sichtung nicht nur Ben Wheatleys Meisterwerk, sondern auch einer der besten Thriller/Horror-Hybriden der Zehner Jahre.
Kurioserweise fühlt sich „Kill List“ im Rückblick weniger weird und alleinstehend an als noch 2011, denn gerade die beiden Horror-Irrsinnstaten von Ari Aster gruppieren sich doch schön zu Wheatleys sehr britischem Take auf einen Thriller, unter dessen Oberfläche ein Mehr, ein Schlimmer, ein Fürchterlicher brodelt. „Hereditary“s Ende könnte man durchaus auch als direkte Verbeugung vor Wheatleys WTF-Schluss von „Kill List“ lesen.
Bei der neuerlichen Sichtung bleibt mein altes Urteil intakt: die drei Akte – familiäres Drama / Auftragskillerthriller / Folkhorror – sind für sich genommen phänomenal und entwickeln sich durchaus schlüssig aus dem jeweils vorhergehenden. Dass Wheatley gar keine – zumindest für mich ersichtliche – Begründung für sein Kulthorrorende legt, lässt „Kill List“ im Nachhall etwas dünner erscheinen als beispielsweise Asters Filme, die viel mehr ins Worldbuilding selbst investieren. Dafür ist Wheatleys „Kill List“ rauh und – vor allem in seinem Mittelteil – geradezu unangenehm. Auch sind die subtil gesetzten, wenngleich nie erklärten Verstörungspunkte in den ersten zwei Akten so irritierend, dass sie „Kill List“ weit über jeden normalen Serienkiller oder Folkhorror – Film erheben. (8/10)