Babylon (2022, Regie: Damien Chazelle)
zur Leihe
Nachdem der Exzess der ersten halben Stunde auf meine Augen auch nicht viel wilder gewirkt hat als eine typische „Babylon Berlin“ Partyszene (ok, es war auch noch ein Elefant im Raum), findet „Babylon langsam seinen Groove, wenn Damien Chazelle einen Tag an den Drehorten mehrerer parallel entstehender Stummfilme verbringt. Das ist mitreissend, beeindruckend und zugleich berührend, wie hier mit den Mitteln der 20er Jahre große Schlachtengemälde und kleine Barschlägereien inszeniert werden.
Im Folgenden mäandert die Geschichte wie Paul Thomas Andersons „Inherent Vice“ durch Los Angeles und verliert sich mehrfach selbst, findet aber zurück zu einem berührenden Ende, das mit feuchten Augen auf die verlorene Epoche des Stummfilms schaut – und sich dabei auch immer gewiss ist, dass wir womöglich gerade wieder das Ende einer Epoche miterleben und der „Film“ wie wir ihn kannten und liebten vielleicht nicht mehr auf ewig als das kulturell größte Ereignis existieren wird. (6/10)
Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann (2023, Regie: Regina Schilling)
ZDF Mediathek
Regina Schillings Doku-Essay über „Aktenzeichen XY“, übrigens das erste True Crime – Format weltweit, ist in gewisser Weise das Sequel zu ihrer Analyse über das nazigedankendurchtränkte Nachweltkriegsfernsehen „Kulenkampffs Schuhe“.
Zwar gelingt ihr gut, die Muffigkeit von Eduard Zimmermann und damit die biedere BRD, die in jedem Hedonismus einen Verrat am Wiederaufbaumythos sah, einzufangen. Doch ist Schillings zentraler Argumentationspunkt, dass Zimmermann all diese schrecklichen Geschichten nur erzählt hat, um junge Frauen aus Angst an den Herd zu binden, etwas dünn auf der Brust. Sicherlich geschehen viele Verbrechen auch zuhause – nicht umsonst heißt es im Süden ja: „daheim sterben die Leut'“ – doch ist für das Wesen der Sendung nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die rätselhaften Fälle – Unbekannte Frau liegt tot im Wald! – nunmal ihr natürliches Hauptfutter waren.
Auch im Rückblick bleibt bei den (langen) Originalausschnitten übrigens zu konstatieren, dass kein Wunder ist, dass etliche Generationen Heranwachsender durch „Aktenzeichen XY“ traumatisiert wurden, denn diese Freitag Abend Fernseh Show hat auch mit heutigem Blick in seinem buchhalterischen Blick auf die Abgründe des Lebens eine ordentliche Härte in der Darstellung. (5+/10)
Black Box (2023, Regie: Aslı Özge)
im Kino
Triste Hinterhof-Groteske, die sich in ihren eigenen Allegorien verirrt.
In einem renovierungsbedürftigen Hinterhofhaus in Berlin werden die Bewohner durch die Polizei ohne Begründung eingekesselt, der im Glasbüro hausende Immobilieninvestor hat auf smart-verschlagene Weise seine eigene Agenda, Luise Heyer muss ganz dringend zum Vorstellungsgespräch, Christian Berkel kämpft gegen Mülltonnen und hat Verschwörungstheorien, zwei Ausländer sind bestimmt Terroristen.
Soll das nun eine Bundesrepublik im Mikrokosmos sein? Eine Anklage gegen Immobilienirrsinn? Ein Aufstehen gegen den Corona-Lockdown?
Es bleibt unklar, wird dabei aber weder witzig noch spannend.
Leider nicht so gut wie Asil Özges „Auf Einmal“ von 2016. (5/10)
Judgment Night (1993, Regie: Stephen Hopkins)
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Wahrscheinlich der durchschnittlichste Film mit dem berühmtesten Soundtrack*: „Judgment Night“ war 1993 eine kleine Sensation, als er Gitarrenbands und Hip-Hop-Acts zusammenbrachte und mitentscheidend für die Geburt von Crossover bis Nu-Metal war (thanks guys!).
Der Film selbst ist leider wirklich eine Gurke, obwohl die Ausgangssituation doch vielversprechend ist (wenngleich sicher auch nicht zum ersten Mal erzählt wurde): vier Kumpels wollen eine Big Night Out machen, nehmen die falsche Abzweigung, fahren durch eine unwirtliche Gegend, Unfall, Chaos, Lebensgefahr.
Die nächste Stunde zieht sich dann aber wie ein ausgelutschter Kaugummi, wenn die Jungs von einer Bande um einen unterforderten Denis Leary verfolgt werden. Dazu ist „Judgment Night“ noch bemerkenswert unästhetisch in seinem Look, ständig viel zu dunkel gefilmt und trotz namhafter Besetzung (Emilio Estevez, Stephen Dorff, Cub Gooding Jr) allenfalls durchschnittlich gespielt. (3/10)
In einem Land, das es nicht mehr gibt (2022, Regie: Aelrun Goette)
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In den letzten Tagen der DDR wird eine Schülerin Model, lernt dadurch eine hedonistische Untergrundszene kennen und den Geschmack der Freiheit lieben. Abgesehen von den beeindruckenden Modeschauszenen eher bieder inszeniert und charismafrei. (4/10)
Survive the Game (2021, Regie: James Cullen Bressack)
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Beginnt überraschend fancy,mit schwarzweißen Opening Credits zu Rocknroll Musik, dass man einen Throwback zu einem pulpy 90ies QT-Ripoff erwartet, ist aber in seiner Charakterbesetzung wie aus zwei verschiedenen Filmen zusammengewürfelt: einmal das Assi-Biker-Pärchen – er Sons Of Anarchy aus dem Hinterdorf, sie Hailee Quinn für Demente – das in Richtung überzogenem Cool-Krimi spielt, der Rest des Casts die übliche C-Film-Reservoir-Kombi aus stumpfen Schlägern und „smartem“ Anführer.
Beide Seiten machen abwechselnd Jagd auf einen Polizisten in einem Setting, das grob an den Garten von meiner Oma erinnert. Bruce spielt den Kollegen des gejagten Polizisten, sitzt aber zumeist angeschossen auf einem Stuhl, muss also nicht selbst durch die Erdbeerfelder steigen.
Zieht sich dann einfach ewig, ohne noch groß eine interessante Wendung erzählen zu können. Immerhin handwerklich nicht ganz so katastrophal wie „Cosmic Sin“. Bruce Willis Film Nummer 89. (3/10)
Tower Block (2012 Regie: Ronnie Thompson, James Nunn)
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Eine simple Story, effektiv inszeniert.
Eine handvoll Bewohner eines ansonsten schon weitgehend geräumten alten Hochhausblocks lebt dort im obersten Stockwerk. Eines morgens nimmt ein Scharfschütze die Fenster in Beschlag und killt erbarmungslos, wer immer hinter einem Vorhang hervorlugt. Das Warum wird lange nicht erzählt, bis ganz zum Schluß bleibt die Identität des Snipers rätselhaft – und ehrlich gesagt wäre hier Konsequenz in der Verweigerung auch mehr gewesen, denn natürlich ist das Ende dann doch mindestens „bemüht“ in seiner Herleitung.
Aber bis dahin große Spannung und ein interessanter Cast, aus dem wieder einmal Jack O’Connell als grobschlächtiger britischer Proll heraussticht. Die Härte im Aussiebverfahren ist zudem bemerkenswert, gleich mehrere Verabschiedungen von Charakteren haben mich komplett auf dem falschen Fuß erwischt.
Stark – verstehe weder die durchschnittlichen Bewertungen auf den einschägigen Filmportalen noch dass man vom Regieduo in der Folge nichts nennenswertes mehr gehört hat. (7/10)
Chevalier (2022, Regie: Stephen Williams)
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Biopic über einen von der Geschichtserzählung auch wegen seiner Hautfarbe meist vergessenen Wunderkomponisten am Hofe von Marie-Antoinette.
Trotz der sicher erstaunlichen Story, die „Chevalier“ zugrunde liegt, spielt Stephen Williams Film selten mehr als wohltemperiert auf dem Klavier der Lebensverfilmungen. Nur als unser Held bei der Wahl zu einem prominenten Posten schnöde übergangen wird und in einer Mischung aus Hybris und Verletzlichkeit zurückschlägt, wird „Chevalier“ richtig lebendig. Doch selbst die französische Revolution am Ende ist wieder heruntergedimmt auf „Spartakus“-Klischee in Musikvideoclip-Stil.
Kein schlechter Film, aber leider ein egaler. (5/10)