Leningrad Cowboys Go America (1989, Regie: Aki Kaurismäki)
auf mubi
Ultra-lakonisches Road Movie um eine russische Band mit spitzen Schuhen und spitzen Frisuren, die ihr Glück in der Breite Amerikas sucht.
Von der kurzen 78minütigen Laufzeit wird viel für Songauftritte verwendet, so dass ein „Plot“ in herkömmlicher Sicht kaum vorhanden ist. Der Zauber liegt sicher in Kaurismäkis matter-of-fact-Herangehensweise, die staubtrocken die Absurditäten dieser Reise unkommentiert aneinanderreiht.
Ich mag die Musik, deshalb ist „Leningrad Cowboys“ sicher unterhaltsam genug, allerdings bin ich über den damaligen Erfolg (1990 einer der 50 erfolgreichsten FIlme des Jahres in Deutschland) und erstaunlichen Status des Films etwas überrascht. (6/10)
Call Jane (2022, Regie: Phyllis Nagy)
auf Netflix
Spannt zu Beginn schön die Absurditäten des amerikanischen Abtreibungssystems pre Roe-v-Wade auf und setzt bewusst auf eine weiße Middleclass-Mutti (Elizabeth Banks, die ihre Rolle hier etwas an January Jones‘ Don-Draper-Ehefrau anlehnt), um die Diskussion aus dem Partisanengraben zu holen.
Während sich die erste Hälfte von „Call Jane“ darauf verlegt, die Beschwerlichkeiten, Probleme und Hinterhof-Wege bei Abtreibungsversuchen zu skizzieren, wird der zweite Part zu einer Hymne auf die titelgebenden „Janes“, die Frauen in Nöten helfen wollen. Der erste Part gelingt Phyllis Nagy dabei deutlich besser, weil hier ein erzählerischer Zug den Film vorantreibt, danach ergibt sich „Call Jane“ etwas zu sehr in der Feier seiner Figuren.
P.S.: Toller 60ies-Counter-Culture-Soundtrack, sogar zu „Sister Ray“ von Velvet Underground wird hier in der Küche geschwoft! (5/10)
BEEF (2023, Regie: Hikari)
auf Netflix
https://www.youtube.com/watch?v=AFPIMHBzGDs
Ganz „lustig“: vor Start der Serie denk ich mir noch: 10 Folgen über die eskalierenden Folgen eines Autounfalls, ist das nicht ein bisschen too much?
Nach den ersten beiden Episoden dann positiv überrascht, wie hysterisch hier gegenseitig das jeweilige Leben zerstört wird, um dann spätestens nach Folge 5 zu denken: 10 Folgen über die eskalierenden Folgen eines Autounfalls, das IST ein bisschen too much.
Weil natürlich Nebenstorylines, Liebeleien mit dem Bruder und wasweißich auch noch eingebaut werden müssen, um die Episoden krampfhaft zu füllen. Schade, „Beef“ hätte ein knackiger und mitreissender 90minütiger Film werden können. (5/10)
Heart of Stone (2023, Regie: Tom Harper)
auf Netflix
„Mission: Impossible“ für Schwachsinnige mit Matthias Schweighöfer als Simon Pegg.
Eine geheime Geheimdienstorganisation mit einem Quantumcomputer namens „Herz“ hackt sich in alles und berechnet jeden, so dass Schweighöfer als Computernerd ständig Sätze wie „Das Herz errechnet dir 84% Erfolgswahrscheinlichkeit“ in Gal Gadots Ohren schreien darf.
Härtester Nervfaktor. (3/10)
Black Mirror: Joan Is Awful (2023, Regie: Ally Pankiw)
auf Netflix
Smarte Idee, die Personen sich hier selbst in einer in Echtzeit erstellten Quasi-Netflix-Serie sehen zu lassen. Mit all den Implikationen, was denn passieren würde, wenn nicht nur Google und Meta, sondern die ganze Welt jedes Detail deines eigenen Lebens kennen würde.
Am Ende noch ein schöner „Welt Am Draht“-Twist, der im Rückblick logisch erscheint, aber ich nicht habe kommen sehen.
Deutlich besser als meine letzte Black Mirror Experience („Striking Vipers“, S05E01). (6/10)
Szene Nr. 6882 aus meinem Leben (2005, Regie: Ruben Östlund)
auf youtube
Recht simpler, früher Kurzfilm von Ruben Östlund, der aber bereits seine späteren Themen von Gruppendruck bis männliche Egomanie und Behauptungsdrang schön anschneidet.
„Szene Nr. 6882 aus meinem Leben“ besteht im Grunde nur aus einer einzigen, in der Totalen gefilmten Diskussion einer Gruppe Jugendlicher, ob einer davon nun von der Brücke in den Fluß springen will/soll/sichtraut – oder eben nicht.
Einfach, aber effektiv. (6/10)
Medusa Deluxe (2022, Regie: Thomas Hardiman)
auf mubi
Beginnt mit einem schönen Monolog/Rant, auf den Sam Jacksons Jules Winfield stolz gewesen wäre, aber mit fortlaufender Spielzeit verliert sich dieser campy One-Shot-Thriller immer mehr.
Anfangs ist das noch toll, mit der Kamera nach einem Mord, Skalpierung inklusive, durch die Gänge eines Frisurenwettbewerbs zu schleichen, und die verschiedenen Gerüchte, Eifersüchteleien sowie hinter der Hand vorgetragenen Anschuldigungen gegen jede einzelne Figur zu erhaschen, doch irgendwann verliert Regisseur Thomas Hardiman offensichtlich selbst sein Interesse, Agatha Christie zu spielen und wechselt in einem Drama-Mood, der dem Film nicht so gut bekommt. Außerdem erschließt sich mir bei dieser Konzeption die „One Shot“ Herangehensweise nicht wirklich. Ich sehe nicht, was „Medusa Deluxe“ durch diesen Gimmick tatsächlich gewinnt. (5/10)
Till (2022, Regie: Chinonye Chukwu)
auf amazon prime
Die wahre Geschichte um den Lynchmord am jungen Emmett Till, der 1955 nach einer Nettigkeit/Flirt in einem Laden in den Südstaaten dem dortigen Rassismus zum Opfer gefallen ist, ist natürlich aufwühlend und wütend machend. Die erste Hälfte der Verfilmung dieses skandalösen Vorfalls gelingt auch gut: es wird nachvollziehbar die Diskrepanz zwischen Nord- und Südstaaten hinsichtlich des „natürlichen“ Umgangs zwischen Schwarz und weiß aufgezeigt, die naive Unbekümmertheit von Emmett und die darauf folgende Eskalation. Auch die Angst der Schwarzen Bevölkerung, überhaupt vor Gericht gegen Weiße auszusagen, vermittelt „Till“ gut.
Leider besteht die zweite Hälfte des Films aus einem Gerichtsdrama, das wirklich schamlos alle Klischees einbaut. Da wird im Saal gerhabarbert bei überraschenden Aussagen, die Augen gerollt auf der Anklagebank, tief geschnauft im Zeugenstand… kurz gesagt: übertheatralisches Oscar-Bait-Kino, das aus meiner Sicht gar nicht nötig gewesen wäre. Denn wozu bei dieser Geschichte noch die Zuschauer vorsätzlich (und billig) emotional manipulieren? Dieser Vorfall hat in seiner Härte doch bereits genug Kraft aus sich selbst heraus, dass ich dem Zuschauer nicht noch vorschreiben müsste, wie er nun zu fühlen hat. (5/10)