vonChristian Ihle 06.10.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Scream (2022, Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett)
auf Netflix

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Nichts gegen smarten Meta-Horror, aber „Scream 5“ schießt hier schon weit über das Ziel hinaus. „Horrorfilmregeln“ besprechen, schön und gut, aber brauche ich wirklich eine Gruppendiskussion über das Wesen von Horror-„ReQuels“ (was für ein hässliches Wort) während derer sich alle, immer etwas augezwinkernd, gegenseitig der Mörderschaft bezichtigen?

Die (späte) Einführung der Scream-All(t)-Stars Neve Campbell, Courteney Cox und David Arquette wirkt zudem wie ein eher verzweifelter und nicht organischer Versuch, die Zuschauerschaft der alten Filme mit der künftigen Millenials ff. – Zielgruppe zu vereinen. Einige schöne Schockmomente in der ersten Hälfte und garstige Kills haben noch eine gewisse zeitlang mein Interesse wach gehalten, aber das erneut über-meta-isierte Ende hat mich dann endgültig verjagt.

Will zu viel, schafft zu wenig. (4/10)

Wo in Paris die Sonne aufgeht / Paris, 13th District (2021, Regie: Jacques Audiard)
auf mubi

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In schönstem Schwarz-Weiß filmt Jacques Audiard einen Liebesreigen im 13. Distrikt von Paris. Die Verwicklungen sind mal glaubwürdiger (neue WG-Roommates), mal weniger (schüchterne Landtaube zieht nach Paris und ähnelt einem Webcam-Sex-Star), aber Audiard präsentiert das Hin und Her schön spielerisch, allerdings ohne für mich genügend emotionale Nachvollziehbarkit hinsichtlich der Sprunghaftigkeit der Bettgeschichten zu integrieren.

Angesichts der ständigen Hüllenlosigkeit (in ästhetisch gefilmten Sex-Szenen) ist die Herkunft des Films nicht zu verneinen, Audiard bewegt sich manchmal schon nah am Klischee des französischen Films.

Übrigens überraschend für mich, dass Jehnny Beth, Sängerin der Savages, in der Zwischenzeit eine „richtige“ Filmkarriere hat und hier eine der vier zentralen Personen spielt. (6/10)

Black Box (2023, Aslı Özge)
im Kino

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Triste Hinterhof-Groteske, die sich in ihren eigenen Allegorien verirrt.

In einem renovierungsbedürftigen Hinterhofhaus in Berlin werden die Bewohner durch die Polizei ohne Begründung eingekesselt, der im Glasbüro hausende Immobilieninvestor hat auf smart-verschlagene Weise seine eigene Agenda, Luise Heyer muss ganz dringend zum Vorstellungsgespräch, Christian Berkel kämpft gegen Mülltonnen und hat Verschwörungstheorien, zwei Ausländer sind bestimmt Terroristen.

Soll das nun eine Bundesrepublik im Mikrokosmos sein? Eine Anklage gegen Immobilienirrsinn? Ein Aufstehen gegen den Corona-Lockdown?

Es bleibt unklar, wird dabei aber weder witzig noch spannend.
Leider nicht so gut wie Asli Özges „Auf Einmal“ von 2016. (5/10)

A Hero (2021, Regie: Asghar Farhadi)
auf mubi

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Als Rahim während eines Freigangs aus dem Schuldner-Gefängnis (yes, it’s a thing im Iran) eine Tasche mit Goldmünzen findet, ist er verlockt, den Zufallsfund zur Tilgung seiner Schulden und damit Wiedererlangung seiner Freiheit einzusetzen. Doch erstens reicht das dafür zu erlösende Geld nicht ganz und zweitens meldet sich auch noch das dumme, dumme Ding, das man Gewissen nennt – und so versucht Rahim per Aushang den Besitzer der Münzen zu finden, um sie zurückzugeben.
Die großmütige Tat spricht sich herum, Rahim kommt ins Fernsehen, wird von verschiedenen Institutionen hofiert, doch kleine Notlügen führen zu Skepsis, die weitere Notlügen bedingen und Rahim zu einem gefallenen Helden machen werden.

Farhadi inszeniert diesen Aufstieg und Fall mit der unerbitterlichen Genauigkeit eines Uhrwerks. Immer weiter verstrickt sich der naiv-gutmütige, aber auch zuweilen cholerische Rahim in die verschiedenen Ansprüche aller um ihn herum und will doch nur irgendwie, endlich seine Schulden zurückzahlen. Wie schon in seinem Meisterwerk „Nader und Simin – eine Trennung“ nutzt Farhadi Genre-Mechanismen in einem naturalistischen Setting, um fast profane Vorgänge zuzuspitzen, bis die Ausweglosigkeit des Individuums und die erdrückende Macht der Gesellschaft bzw. ihrer Konventionen dem Zuschauer fast den Atem nimmt.

In seinen emotionalsten Momenten gelingt Farhadi eine Fassbinder’sche Verzweiflung an der Welt, wenn der Einzelne so sehr in die Ecke gedrängt wird, dass die Kälte der Anderen die Ausweglosigkeit des Außenseiters so sehr forciert, dass nur noch ein Schlagen gegen Wand und Welt möglich scheint. (8/10)

Rambo: Last Blood (2019, Regie: Adrian Grünberg)
auf Amazon Prime

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Der (wohl?) letzte Film der Rambo-Reihe spielt doch auf reduzierterem Level als die vorherigen Abenteuer und ist damit in gewisser Weise eine Rückkehr zum ersten Teil „First Blood“.

John Rambo ist nun – gut zehn Jahre nach dem letzten Teil – endgültig ein alter Mann, der auf einer Ranch seinen Lebensabend verbringt. Als seine Ziehtochter bei einem Ausflug in Mexiko unter Drogen gesetzt und als Prostituierte verkauft wird, erwacht aber natürlich das alte Kämpfer-Gen in Rambo, dessen Menschenbild eh immer das Allerschlimmste vermutet.

Es benötigt einige Zeit, bis „Last Blood“ ins Rollen kommt und sich eine Art Liam-Neeson-Nuschel-Film entwickelt. Kurioserweise ist die große Eskalation und das beherrschende Setpiece des Films wie ein Musikvideoclip mit donnernd lauter The Doors -Musik gefilmt. Die absurdesten Fallen werden mit schnellen Schnitten abgehandelt und vier Minuten später ist im Grunde alles vorbei. Die Idee verstehe ich nun gar nicht, warum man nicht gerade diesen Moment auskostet statt ihn nur als fancy Final-Destination-Kills-Variante abzuhandeln.

Es ist sicher kein großer Wurf – was aber abgesehen vom ewig unterschätzten ersten Teil kein Rambo-Film je war – aber eben doch handwerklich einen Level über den Direct-To-Video-Filmen, die seine alten Kollegen dieser Tage so abliefern. Gegen Ende wird es sogar etwas anrührend, findet „Last Blood“ seinen Schluß doch mit einer schönen Montage aus fast 40 Jahren Rambo-Geschichte. (5/10)

Grotesque (2009, Regie: Koji Shiraishi)

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Als einer der wenigen, in jüngster Zeit in Großbritannien verbotenen Filme* hat „Grotesque“ sich einen gewissen Ruf erworben.

Anfangs spielt der japanische Torture-Porn-Horror wie eine Neuauflage der „Guinea Pig“-Filme, ohne sich an deren „Illusion“ von Realität zu versuchen. Während mich diese Überbrutalität ohne jeden narrativen Kontext nie erreicht, entwickelt sich erstaunlicherweise zur Mitte der Laufzeit doch noch ein richtiger Film, in dem die Motivation der Protagonisten auf einmal ganz konkret thematisiert wird.

Das Ende ist so absurd over the top, dass „Grotesque“ schon in Splatter-Humor via Takashi Miike rutscht, hat aber andererseits kurz zuvor einen eindrucksvollen, dreiminütigen Monolog des weiblichen Opfers gegen den Täter.

Nicht dass ich „Grotesque“ irgendjemandem empfehlen würde (dafür einfach dann doch zu viel sadistische Brutalität), aber am Ende war ich zu meiner eigenen Überraschung von manchen Momenten doch angetan.

* wozu Autor/Regisseur Koji Shiraishi sich so äußerte: „delighted and flattered by this most expected reaction from the faraway country, since the film is an honest conscientious work, made sure to upset the so-called moralists.“ (5/10)

Alone (2020, Regie: John Hyams)
zur Leihe bei den üblichen Anbietern

https://www.youtube.com/watch?v=NoP2mJiCzWQ

Solide Genre-Kost mit Stärken vor allem in seinem ersten Drittel, wenn „Alone“ wie eine modernisierte #metoo-Variante von Spielbergs Debüt „Duell“ spielt.

Nachdem Regisseur John Hyams auflöst, ob der andere Fahrer nun einfach nur ein Straßenidiot oder ein tatsächlicher Psychopath ist, entwickelt sich „Alone“ mehr in Richtung eines Survival-Thrillers im Wald und verliert damit etwas an Dringlichkeit und Originalität.

Macht aber im Folgenden auch wenig ganz falsch, also durchaus ordentliche Unterhaltung.

The Skeleton of Mrs. Morales (1960, Regie: Rogelio A. González)
auf mubi

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Mexikanische Drama/Comedy mit horroresquen Untertönen um eine der schlimmsten Ehen der Filmgeschichte.

Der joviale, aber auch gern betrunkene Ehemann wird von seiner, durch ihre Beinbehinderung in ständigem Missmut lebende Frau fast in den Wahnsinn getrieben.
Naja, was heißt fast?
Er ist Tierpräparator und am Ende werden nicht nur Tiere präpariert.

A propos Ende: das wird in seiner allerletzten Minute, praktisch im Nachklapp, dann noch bitterböser als man vermuten würde. (6/10)

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