Reptile (2023, Regie: Grant Singer)
Netflix
Verwinkelt erzählter Noir Krimi um Immobilienmachenschaften und eine ermordete Maklerin.
„Reptile“ lebt stark von Benicio Del Toros aufrechtem Polizisten, der sich mit krummem Rücken aber wachen Augen durch sein Leben und den Job wieselt. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die große Verschwörung und die damit einhergehende Eskalation / Auflösung sich ganz schlüssig ergibt, aber „Reptile“ nimmt erfreulich viele weirde Abzweigungen, wirft alle möglichen Verdächtigen in die Geschichte, verzettelt sich, verfährt sich, aber entwirft am Ende ein großes Panorama der Verderbtheit.
Debütregisseur Grant Singer scheint mir Scorsese’sche Ambitionen zu hegen, die vielleicht etwas hochgegriffen sind, aber von ihm in so einer seltsamen Art zusammengebastelt werden, dass er nie in eine Copycat-Falle tritt. (7/10)
No One Will Save You (2023 Regie Brian Duffield)
Disney+
Lediglich acht Worte werden im gesamten „No One Will Save You“ -Film gesprochen, einem also praktisch dialogfreien Home-Invasion-Film über Aliens, die auf einmal im Landhäuschen der introvertierten Brynn stehen.
Geschickt erweitert Regisseur Brian Duffield den Scope der Geschichte Stück für Stück von klassischem Home-Invasion-Horror über Unterwanderungsparanoia zu Traumabewältigungsdrama.
Dass er diesen Weg nur durch visuelles Storytelling bestreitet, ist nicht nur ein Gimmick, weil es tatsächlich recht lange braucht, bis uns Zuschauern die Dialogfreiheit des Films überhaupt bewusst wird.
Natürlich steht und fällt „No One Will Save You“ aber mit Kaitlyn Dever in der Hauptrolle, die mit Mimik und Augen so viel erzählt, dass es gar keines Plaudertäschchen im Zentrum des Films bedarf.
Bis auf sein Ende ein gelungener Science-Fiction-Film, der spannend und spielerisch ist. (6/10)
Fado (2016, Regie: Jonas Rothlaender)
Amazon Prime
Deutsches, aber in Lissabon spielendes Beziehungsdrama um einen egomanen, eifersuchtsgetriebenen Typen (Golo Euler, angemessen unangenehm) und sein Objekt der Begierde (Luise Heyer, erfreulich natürlich).
Stark setzt Regisseur Jonas Rothlaender von Beginn an auf ein Gefühl der Vorahnung, der dräuenden Eskalation. So entwickelt sich sein Film von diesen anfänglichen Momenten des kommenden Schrecklichen ganz strukturiert über Momente leichter Awkwardness und steigender Unsicherheit zu heftiger Eskalation. Parallel dazu entwickelt sich auch die sexuelle Seite: vom Händchenhalten über ästhetisch gefilmten GV zum offen eingefangenen Blowjob.
Dass am Ende die Eskalation unweigerlich kommen muss, nimmt „Fado“ nicht unbedingt seine Kraft. Es bleibt eher die Frage im Raum stehen, ob der Film darüber hinaus noch einen Punkt machen wollte. (6/10)
P.S.: schöner Satz auf Letterboxd: „andererseits der Beweis dass der Berliner Schule Look tatsächlich die ganze Welt in ein tristes, trauriges Tempelhofer Grau verwandeln kann.“
letterboxd.com/matjaman/film/fado/
Blutsauger (2021, Regie: Julian Radlmaier)
arte Mediathek
Die Art Film, in der nach einer Zwischentafel mit Adorno-Zitat ein Schauspieler in fassbinder’scher Verfremdung theatralisch durch die Gegend stakst und dabei „Die Internationale“ summt bis kurz später die Diskussionsgruppe am Strand sich gegenseitig Stellen aus „Das Kapital“ von Karl Marx vorliest und dabei über deren Wortwörtlichkeit diskutiert.
Leichtfüßiger als man denken würde.
Dennoch: „Blutsauger“ ist mehr Stahlbad als Fun. (6/10)
Chopper (2000, Regie: Andrew Dominik)
zur Leihe
Die frühere, australische Variante von „Bronson“ mit einem erstaunlich überzeugenden Eric Bana, den ich bisher eher als nicht sonderlich ausdrucksfähigen Schrank wahrgenommen hatte, der hier aber mit maliziösem Charisma brilliert.
„Chopper“ ist die Verfilmung der Lebensgeschichte eines der berühmtesten Schläger/Mörder/Gauner in der jüngeren australischen Vergangenheit.
Andrew Dominik, der später mit „Blonde“ einen anderen, nicht unumstrittenen Film drehen sollte, inszeniert Choppers Leben oft brutal und gern in triste Blautöne getaucht, hat aber auch die eine oder andere Spielerei auf Lager wie minimal beschleunigte Szenen, wenn Kokain genommen wird – ein kaum merklicher, aber raffinierter Trick! Dominik spielt auch mit der Frage der Wahrheit, zeigt Szenen manchmal in Choppers Erzählung, um sie danach aus einer Zeugenperspektive erneut ablaufen zu lassen und schafft dadurch auch einen schönen Verfremdungseffekt, der die Härte der Geschichte besser (vielleicht: zu gut?) ertragbar macht.(7/10)
The Cowboy and the Frenchman (1988, Regie: David Lynch)
mubi oder youtube:
Eine der seltenen Auftragsarbeiten von David Lynch: ein Kurzfilm, der im Rahmen einer vom französischen Magazin „Figaro“ organisierten Reihe „Frankreich aus der Sicht von…“ gedreht wurde.
Lynch spielt hier klischee-heavy sowohl mit französischen Allgemeinplätzen als auch mit amerikanischen – und so trifft ein Franzose mit Camembert, Schnecken, Mini-Eiffelturm und Rotwein im Gepäck auf drei Cowboys und einen Indianer. Nach anfänglicher sprachlich Irritation wird gemeinsam musiziert und alles gleitet ins psychedelisch Traumhafte ab. Nett und unterhaltsam für seine knapp halbstündige Laufzeit.
Am Interessantesten vielleicht für Twin Peaks – Freaks, denn zum einen hat hier „Hawk“ (Michael Horse) einen ersten Auftritt im David-Lynch-Universum und zweitens kann man Lynchs seltsame Vorliebe für die Komik des Schwerhörigen sehen, die er später in seiner eigenen Twin-Peaks-Rolle als Gordon Cole zum Running Gag gemacht hat – nur dass hier Harry Dean Stanton alle anschreit, weil er kein Wort versteht. (6/10)
Killer Klowns from Outer Space (1988, Regie: Stephen Chiodo)
Amazon Prime
Bekanntermaßen sind Horror-Komödien das Genre, das am wenigstens meine Knöpfchen drückt und so finde ich auch keinen Zugang zum „Kult“-Klassiker „Killer Klowns From Outer Space“, in dem Aliens wie große, hässliche Clowns aussehen, mit ihrem Zirkuszelt auf der Erde landen und alle meucheln bis keiner mehr lacht.
Very 80ies und in der Penetranz der einen Grundidee fast schon bewundernswert, aber eben ansonsten auch mit krassem Overacting und sparsamen Witz.(4/10)
Totally Killer (2023, Regie: Nahnatchka Khan)
Amazon Prime
Mal wieder ein Meta-Horror, diesmal aber originell kombiniert mit einem Zeitreisefilm – als ob „Zurück in die Zukunft“ den ersten „Halloween“ nacherzählen möchte, nur mit heftigem Augenzwinkern.
Weitgehend unterhaltsam und mit seinen besten Humor-Momenten, wenn die unwoke 80ies Welt der heutigen Sensibilität gegenübergestellt wird. Als Horrorfilm leidlich erfolgreich, wird nach gutem Anfang dahingehend immer egaler. (6/10)