Evil Dead Rise (2023, Regie: Lee Cronin)
zur Leihe bei den üblichen Verdächtigen
Im Gegensatz zu den beiden Original-„Evil Dead“ und auch dem wilden 2013er Remake verlagert „Evil Dead Rise“ die Geschichte vom Land in die Stadt, in ein kaum noch bewohntes Hochhaus. Das ist erstmal erfrischend, denn die Cabin in the Woods-Geschichte ist ja doch weitgehend auserzäht. So ist Lee Cronins Tanz mit den Teufeln näher am britischen Hochhausthriller „Tower Block“ als an Sam Raimis Urgeschichte.
Nach ordentlichem Beginn verflacht „Evil Dead Rise“ allerdings in der Mitte ziemlich, weil Cronin außer der zentralen Familie keine Figur anständig einführt und so kaum Interesse am Schicksal der anderen Dahingemeuchelten besteht. Im Gegensatz zu Cronins subtil-kriechendem Horrorfilm „The Hole in the Ground“ dreht er aber die Blutfontänen hier dermaßen auf, dass „Evil Dead Rise“ irgendwann den Moment des Geschichtenerzählen transzendiert und ähnlich wie „Terrifier“ zu einer puren Körpervernichtungsorgie wird – und darin seinen Moment findet. (6/10)
The Conference (2023, Regie: Patrik Eklund)
auf Netflix
Der schwedische Slasher „The Conference“ ist thematisch ein Schwester-Film zu Christopher Smith „Severance“ von 2007. Auch hier sehen wir eine handvoll Arbeitskameraden bei einem Betriebsausflug from Hell, der neben den üblichen nervtötenden Komponenten – die Idioten-Kollegen, die Bierhoff’schen Motivationsreden, das Teambuilding – auch wirklich tödliche Elemente zur Auflockerung einführt.
Das ist von Patrik Eklund flott und mit tollen Schnitten inszeniert, hat einige schön groteske Kills und lässt bis zum Ende im Momentum nicht nach.
Hier gehts weniger um eine Rätselei nach dem maskierten Mörder als einen Abzählreim visuell umzusetzen bis kaum jemand mehr übrig bleibt. (6/10)
Charlotte et Véronique, ou Tous les garçons s’appellent Patrick (1959, Regie: Jean-Luc Godard)
arte Mediathek oder youtube
Noch ein Jahr vor „À bout de souffle“ gedrehter Kurzfilm von Jean-Luc Godard nach einem Drehbuch von Eric Rohmer.
„Charlotte et Véronique, ou Tous les garçons s’appellent Patrick“ ist nicht nur aufgrund dieser Kombination ein Nouvelle-Vague-Exempel, sondern natürlich auch wegen Godards federleichter Inszenierung, den ständigen Popkulturreferenzen im Hintergrund, dem Krieg gegen Opas Kino (Titel einer Zeitschrift, die ein Nachbar im Café liest: „Das französische Kino krepiert an falschen Legenden“) und der schönen Kurzhaarfrisur der Hauptdarstellerin.
Inhaltlich erzählen Godard/Rohmer hier eine Art Verwechslungskomödie um einen unerträglichen Schürzenjäger, ein Plot, der nicht weiter von Belang ist – außer vielleicht, dass dessen Anbaggern 1959 wohl noch charmant-frech wirken konnte, heute hart am Übergriffigen tänzelt. (7/10)
Fair Play (2023, Regie: Chloe Domont)
bei Netflix
Arbeitsplatzkrimi in der Hochfinanz – aber doch unterhaltsamer als man denkt, weil zumindest für die ersten zwei Drittel des Films gelungen Fragen nach Gleichberechtigung, Männlichkeitsängsten und Auswirkungen von Beruf auf Privat gestellt werden.
Weniger überzeugend ist für mich die Eskalation im dritten Akt – und noch enttäuschender das Ende-Ende, bei dem ich sogar zurückspulen musste, weil ich dachte, ich hätte etwas verpasst. (6/10)
Death Wish 3 (1985, Regie: Michael Winner)
bei Freeve
Selten stand der Mainstream tiefer im Exploitation-Sumpf als in „Death Wish 3“ von 1985, unverkennbar direkt aus der Reagan-Ära.
Gegen die politische Eineindeutigkeit von Bronsons Paul „Mr Vigilante“ Kersey wirken John Rambo und Dirty Harry dann eben doch wie progressive Snowflakes, die sich zu sehr in der Differenzierung von Gut und Böse verlieren statt einfach mal aufzuräumen.
Spätestens wenn die Gang-Mitglieder – natürlich mal wieder eine Mitt80er Comic-Version von Punks, die sich absurderweise am Ende mit Nazi-Bikern verbünden (eine frühe Form der Hufeisentheorie, wie mir scheint) – von Bronson als „Kakerlaken“ betitelt werden, die es „auszurotten“ gilt, bewegen wir uns in dieser Selbstjustizfeier natürlich auf faschistoidem Terrain, aber mit fortschreitender Spieldauer nehmen die Streitigkeiten in diesem New Yorker Stadtviertel eh solche Bürgerkriegsausmaße zwischen Gang und dort wohnenenden Rentner an, dass wir längst jede realitätsnahe Grundierung verlassen haben.
Platt und unsubtil, aber in seiner Unterhaltsamkeit trotz des damals bereits 64jährig eher holprig durch die Szenerie stapfenden Bronson so effektiv inszeniert, dass ich selbst über mehrere (!) „deus ex machina“ Momente im halbstündigen Schluß-Shoot-Out hinwegsehen kann. (6/10)
Die Frau im Nebel (2022, Regie: Park Chan-wook)
bei mubi
Auf der einen Seite ist „Decision To Leave“ wie eine Demonstration Chan-Wook Parks, was für ein fantastischer Stilist er ist – und zwar über das Einfangen toller Bilder hinaus. Die Schnitttechnik und das Framing sind phänomenal. Allerdings muss ich auch sagen, dass dieses quasi-avantgardistische Editing, das teilweise Figuren in einem BIld zusammenbringt, obwohl sie sich nicht im gleichen Raum aufhalten, oder kleine Zeitsprünge innerhalb einer Szene integriert, das Verständnis der Geschichte so erschwert, dass ich lange gebraucht habe, um einen Zugang zu finden. Auch das obsessive Sehnen der beiden Figuren zueinander wird durch die dadurch entstehende Abstraktheit dem Zuschauer nicht gerade näher gebracht.
Kurioserweise hat also Parks „Vertigo“-Riff einen ähnlichen Effekt auf mich wie Hitchcocks Film: mehr Bewunderung für Können und Kunst als dass ich eine emotionale Bindung zu Film oder Figur entwickeln kann. (6/10)
Das letzte Wochenende / And Then There Were None (1945, Regie: René Clair)
bei plex
https://www.youtube.com/watch?v=6SEjulbSwUY
René Clair, französischer Regisseur aus dem Dada- und Surrealisten-Umfeld, nimmt sich 1945 auf herrlich schrullige Weise einer klassischen Agatha-Christie-Geschichte um die „Ten Little Indians“ an (als Buch in England zunächst von Christie mit dem N-Word noch rassistischer betitelt). Und wie im alten Abzählreim muss auch ein Besucher nach dem anderen in der einsamen Villa auf dem verlassenen Eiland sein Leben lassen.
Das ist in der Zwischenzeit schon so oft in verschiedenen Variationen erzählt worden (siehe „Edgar Wallace: Das indische Tuch“, 1967, oder „Glass Onions“, 2022), dass mich fast überrascht hat, wieviel Spaß René Clairs originäre Version dieser Idee macht. Das ist flott inszeniert und lässt einen tatsächlich bis zum Schluß rätseln, wer denn nun der geheime Drahtzieher der Aussieberei ist!
Nicht ganz so exzentrisch wie die angesprochene Edgar-Wallace-Version mit Kinski und Arendt in Topform, aber dafür in sich nachvollziehbarer, logischer aufeinander aufbauend.
Toll! (7/10)
The Pope’s Exorcist (2023, Regie: Julius Avery)
bei Netfliix
Xte Exorzist Kopie, die alle bekannten Klischees durchspielt, ohne dem alten Template groß etwas Neues beifügen zu können.
Was bleibt? Die schönen Szenen, wenn der in der Zwischenzeit wohlgenährte Russell Crowe im Priesterkleid zu 80ies Goth-Klängen (The Cult) auf einer kleinen roten Vespa durch die pittoreske Landschaft fährt. (4/10)