vonChristian Ihle 15.04.2024

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Der beste Film aller Zeiten (2021, Regie: Gastón Duprat, Mariano Cohn)
zur Leihe

Satire über das Filmemachen, die unterhaltsam ist, aber manchmal auch mehr Biss vertragen könnte.

Der Konflikt zwischen den beiden Schauspielern – ein Mainstream-Star (Antonio Banderas), eine Arthouse-Koryphäe (Oscar Martínez) – funktioniert besser als die Regie-Genie-Parodie von Penelope Cruz, die mit dieser Rolle als ambitionierte, egomane Regisseurin etwas überfordert wirkt. Das ist schade, denn bei der Verhandlung von Fragen zu Kunst, Kontext und Kommerz würde „Der beste Film aller Zeiten“ eigentlich seine interessantesten Aspekte diskutieren, doch ist mir dieser Strang zu inkonsistent (so ganz verstehe ich nämlich die Position von Cruz‘ Charakter nicht wirklich). (6/10)

Master Gardener (2022, Regie: Paul Schrader)
zur Leihe

Schrader being Schrader: Mann gegen die Welt und ihre Einsamkeit. Diesmal mit dem Twist, dass die Hauptfigur nicht Pokerspieler, Taxifahrer oder Pfarrer ist, sondern Blumen-Gärtner!

Auch wenn sicher nicht alles zueinander findet in „Master Gardener“ und Schrader selbst sein zentrales Plot-Element der Nazi-Tattoos auf dem Körper unseres Gartenmanns am Ende herschenkt (so lapidar wird Edgertons Oberkörper dann enthüllt und hat dies keine weiteren Konsequenzen für den Verlauf mehr), so eindrucksvoll bedrückend ist die Atmosphäre, die über diesem Film liegt.

Umso verwirrender wiederum, dass in diesem Film des Grübelns, Schweigens und Starrens Sigourney Weaver offensichtlich ein anderes Memo gelesen hat und eine überkandidelte Fluch-und-Zeter-Performance abliefert. (7/10)

Kosmetik des Bösen (2020, Regie: Kike Maíllo)
auf Prime

Anstrengende Charaktere (not in a good way) in einer albern-twistenden Story, die auf einem Nichts endet.
Na danke. (3/10)

The Grandmother (2021, Regie: Paco Plaza)
bei Amazon Prime

Kann man sagen, was man will, aber Paco Plaza liefert einfach immer kompetente Horror-Arbeiten ab.

Nicht ganz so stark wie die letztjährige „Todesschwester“ (Netflix), aber doch wieder creepy genug über seine Spielzeit dass ich auch den türenschlagenden Hokuspokus der letzten Viertelstunde verzeihe.

Wundert mich schon, dass die imdb-Bewertungen bei Plaza immer recht niedrig sind, das ist doch handwerklich besseres Horrorkino als die meisten Durchschnittsproduktionen aus Hollywood? (6/10)

Nightmare (1981, Regie: Romano Scavolini)

Ein original ‚Video Nasty‘ und das durchaus verdient. „Nightmare“ – nicht zu verwechseln mit Freddy Kruegers „Nightmare On Elm Street“! – erzählt seine Psychopath-auf-Killing-Tour nämlich erstens mit überaus deutlichen Bildern und hat zweitens gar nicht so die klassische Slasher-Atmosphäre, sondern schreitet in ein unangenehmeres Terrain, in einen wirklichen Wahn, der sich echter anfühlt und nicht nur als Plotfunktion. Nachteil dieser eher unüblichen Atmosphäre ist allerdings, dass „Nightmare“ eigentlich nie ’spannend‘ wird und so durchaus seine Längen hat. (6/10)

Türkische Früchte (1973, Regie: Paul Verhoeven)

„Türkische Früchte“ hat zurecht seinen Eintrag im Buch der kontroversen Filme. Umso erstaunlicher, dass für diesen wilden Streifen 1974 dennoch eine Oscarnominierung (für besten fremdsprachigen Film) drin war. Die erste Hälfte ist so nihilistisch und konventionennegierend, dass man selbst im ausgehenden Hippie-Umfeld schlucken müsste.

abo

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Rutger Hauer & Monique van de Ven als asoziales Paar (im Wortsinn) werfen sich mit vollem Körpereinsatz in diesen Film und Verhoeven zeigt Schwänze, Titten, Scheisse und Schläge ohne Rücksicht auf Verluste oder gar bürgerlichen Anstand. Dass „Türkische Früchte“ wohl trotzdem nicht einfach im Exploitation-Regal verendet ist, sondern es bis zu den Academy Awards geschafft hat, liegt sicher an der zahmeren zweiten Hälfte, die all der Wildheit der Jugend die Tragik des Lebens entgegenstellt – und mich mit seinem tearjerker-Ende dann nicht mehr so ganz bekommen hat.
Toll übrigens auch die naturalistische Kamera von Jan de Bont, der gut 20 Jahre später dann ja mit „Speed“ als Regisseur selbst einen Welterfolg drehen sollte. (6/10)

Rita, Sue and Bob Too (1987, Regie: Alan Clarke)
auf mubi

Ich bin ja großer Fan von Alan Clarkes harschen Filmen über die Unmenschlichkeit des britischen Schulsystems (Scum/1979), rechtsradikalen Nationalismus (Made In Britain/1982), Jedermanns Hooliganismus (The Firm/1989) oder die Beliebigeit des Mordens in Zeiten von Bürgerkrieg (Elephant/1989).

„Rita, Sue and Bob Too“, Clarkes komödiantischer Ausflug in die Unwägbarkeiten der freien Liebe in der Working Class, ist allerdings weniger gelungen. Seine Geschichte über zwei Schulmädchen, die sich mit einem älteren Mann einlassen, wirkt gleichzeitig dated wie schon damals, 1987, aus der Zeit gefallen.

Aber immerhin: Kamera ist toll, Locations echt und im Gegensatz zu einer hypothetischen französischen Variante dieser Geschichte, in der blutjunge Honigbienchen wie Isabelle Adjani oder Sophie Marceau den armen Männern die Köpfe verdrehen würden, sind Rita und Sue zwei britische Wuchtbrummen, die in breitestem Dialekt und enormer Lautstärke sich durch diesen Film palavern. Das erdet „Rita, Sue & Bob too!“ und treibt ihm all das Schwiemelige von vornherein aus. (5/10)

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