vonChristian Ihle 28.06.2024

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Godzilla × Kong: The New Empire (2024, Regie: Adam Wingard)
im Kino & zur Leihe

So sehr ich Adam Wingard immer noch für seinen Mumblegore “You’re Next” von 2011 schätze, führt ihn sein Weg in den Mainstream leider einfach nur nach unten. Der erste “Godzilla vs Kong” war ja schon schlechter als die vorangegangenen Einzelfilme der beiden beliebten Monster, aber gerade noch erträglich als lauter Popcorn-Film. Diese Fortsetzung jedoch versemmelt alles. Ich verstehe ehrlich gesagt auch nicht, warum Godzilla & Kong ihr Unwesen nun hauptsächlich in einer fiktiven Unterwelt treiben, denn der eigentlich interessante Punkt einer Begegnung von Monster und Mensch wird dadurch über lange Zeit hinfällig, da sich alles in einem CGI-animierten Raum abspielt. Ganz ehrlich: dieser “Godzilla vs Kong” könnte auch ein Zeichentrick-Film sein, er würde echter wirken.

Hauptgegner ist übrigens einfach ein anderer Riesenaffe mit einem Eis-Godzilla im Gepäck, nichts, was wirklich Empathie in irgeneiner Art erzeugen würde.

Es gilt halt doch Sartres altes Diktum: “Hell is other apes”. (4/10)

Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt (2023, Regie: Radu Jude)
auf mubi

So viel Noise über zweieinhalb Stunden, dass man kaum die Zauberstellen heraushören kann. Ein selbst für Radu-Jude-Verhältnisse anstrengender Film zwischen Straßenverkehr in Bukarest und satirischen Macho-TikTok-Reels mit Gesichtsfilter.

Mehrfach war ich kurz davor diese Zumutung wegzuschalten und doch gelingen Jude wieder etliche Wirkungstreffer, die sich mal in einem Dialog zwischen Nina Hoss und unserer Hauptfigur entspinnen, der scharf einen Toni-Erdmann-haften Blick auf den europäischen Kapitalismus wirft, oder mittels einer mehrminütigen, stummen Bildfolge von Grabes-Kreuzen am Rand einer vielbefahrenen Straße Betroffenheit über so viel verschenktes Leben hervorrufen.

Die letzte halbe Stunde verharrt dieser zuvor ständig in Bewegung befindliche Film dann in einer einzigen Einstellung, die noch einmal all die – vorher im wilden Wirbel manchmal etwas verlorene – Demütigung des kleinen Menschen ohne Wegschauen elendig lange auf den Punkt bringt.

Kein Film, den ich ein zweites Mal schauen möchte, der aber aus der Distanz immer besser wirkt. (6/10)

God Is a Bullet (2023, Regie: Nick Cassavetes)
auf amazon prime

So viele Fragen!

Ist die Story um entführte Kinder, einen Satanistenkult und einen christlichen Polizisten auf der Jagd nun schon ‘Q Anon adjacent’ oder sind am Ende doch auch die Gottgläubigen solche Arschlöcher, dass selbst die Teufelsanbeter brav am Tisch sitzen?

155 Minuten B-Movie-Mayhem, wer hat denn bitte bei diesem Film eine Überlänge durchgewinkt?

Wie ist dieser ungeschliffene Film mit so einer Besetzung gedreht worden? Was macht Oscar-Preisträger Jamie Foxx hier eigentlich?

“Schadenfreundinnen”, dann neun Jahre Pause und nun “God Is A Bullet” – what happened, Nick Cassavettes? Alles ok daheim?

Gab es schon einmal eine größere Gesichtstattoo-Dichte in einem Film?
Das Ende, “Mad Max 4” mit kleinem Geld?

Eigentlich alles nicht gut, Dialogszenen aus der Hölle des 90er Jahre Actionkinos, aber dafür so auf die 12, dass selbst zweieinhalb fucking Stunden Spielzeit ein kurzweiliger Asi-Spaß sind, eine wilde White Trash / MAGA – Variante aller Liam Neeson – Filme der letzten zehn Jahre und irgendwie auch… besser? (7/10)

Monkey Man (2024, Dev Patel)
zur Leihe

Dass der Name “John Wick” im Film fällt, ist kein Wunder: ganz offensichtlich hat sich Dev Patel vom Keanu-Reeves-Killer-Juggernaut für seinen “Monkey Man” beeinflussen lassen. Die Kämpfe sind nicht ganz so stylish wie bei Wick, dafür schmerzt das Zusehen mehr, wirkt die Gewalt realer.

Bin mir nicht sicher, ob der politische Subtext der ganzen Chose nur Quatsch ist oder mir einfach der innenpolitische Hintergrund zu Indien fehlt, um hier wirklich einen Zugewinn zu erleben, aber als reiner Actionfilm betrachtet, ist “Monkey Man” kurzweilig und erfreulich wenig nervig im Overkill. (6/10)

Operation Avalanche (2016, Regie: Matt Johnson)
zur Leihe

Jeder kennt die Verschwörungstheorie, dass Stanley Kubrick die nie in echt stattgefundene Mondlandung im Studio gefilmt hat – was natürlich völliger Quatsch ist, denn jeder der schon mal einen Kubrick-Film gesehen hat, weiß, dass der Meister niemals so amateurhaftes Material abliefern würde!

In Wirklichkeit waren es natürlich Film-Amateure aus dem Umfeld der CIA unter Führung von Matt Johnson, die sich lediglich heimlich bei Kubrick auf dessen “2001”-Set einige Tricks abguckten, um die Chose möglichst glaubwürdig umzusetzen.

Das ist die Story der schönen Mockumentary des Kanadiers Matt Johnson, der im letzten Jahr mit “Blackberry” einen der besten modernen Tech-Economy-Filme gedreht hat. Im Gegensatz zu seiner Geschichte über die iPhone-Alternative fehlen mir in “Operation Avalanche” zwar etwas die Lacher, aber die zweite Hälfte entwickelt sich überraschend gelungen zu einem Paranoia-Film, der zu seinem Sujet passt.

Hochachtung auch vor der Entstehung des Films: fast ausschließlich improvisiert (selbst die Auto-Verfolgungsjagd gegen Ende) und mit Guerilla-Methoden heimlich auf einem NASA-Gelände gedreht. Aber technisch so stark, dass er Filmen mit viel mehr Geld als 60ies Period Piece in Look & Ausstattung überlegen ist. (6/10)

Colossus: The Forbin Project (1970, Regie: Joseph Sargent)

Die USA ersetzen ihr Verteidigungskonzept mit einem Supercomputer, der klüger ist als jeder Mensch, emotionsfrei auf Bedrohungen reagiert und so die perfekte Abschreckung darstellt. What could possibly go wrong?

Ist diese Doomsday-Machine (“Dr Strangelove”) erstmal mit jovialer Begeisterung allenthalben in Betrieb genommen, verbrüdert sie sich jedoch mit der russischen Schwestermaschine und beginnt die Menschheit zu unterjochen.

Early AI – Doomster Catnip von 1970 mit p(doom)=100!

Die erste Stunde ist toll, gerade weil das Gottvertrauen in die neue Technologie so sehr wiedererkennbar scheint. Joseph Sargent erzeugt Spannung aus Gesprächen in Räumen, vor brutalistischer Architektur und aus der Schieflage vom Glauben an die gute neue Welt und der Ignoranz der von ihr ausgehenden möglichen Bedrohung gegenüber. Mehr benötigt er gar nicht.

Was mich allerdings komplett aus “Colossus” geworfen hat, ist der “Trick”, den unser Wissenschaftsgenie anwendet, um der rigiden Überwachung des Supercomputers zu entgehen. Bestenfalls sexistisch, wenn nicht gar künstliche Intelligenz beleidigend. (6/10)

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