vonChristian Ihle 05.07.2024

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

„Kommst du mit in den Alltag“ – natürlich nach dem ewigen Klassiker von JETZT! benannt – ist ein gerade im Ventil Verlag erschienenes Buch von André Jegodka, das in vielen Gesprächen mit namhaften Musikern deren Lebensrealität herausarbeitet.

Wo kommt das Geld her? Was macht das Alter?

Peter Hein (Fehlfarben), Sophie Löw (Culk), Masha Qrella, Carsten Friedrichs (Superpunk), Christin Nichols, Christiane Rösinger, Hendrik Otremba, Michael Girke (Jetzt!), Frank Spilker (Die Sterne), Katharina Kollmann (Nichtseattle), Jan Müller (Tocotronic), Jonas Poppe (Oum Shatt), Tobias Bamborschke (Isolation Berlin), Bernadette La Hengst, Max Gruber (Drangsal), Paul Buschnegg (Pauls Jets), Paul Pötsch (Trümmer), Pedro Crescenti (International Music) und Rick McPhail (Tocotronic) sprechen über die Themen, die nicht zum glamourösen Rock’n’Roll-Mythos gehören.

Jedem Kapitel ist ein „Pop Fact“ vorgestellt – die Einführung zu „Geld“ habe ich geschrieben und mich dafür mit Stella Sommer (Die Heiterkeit) und Patrick Wagner (Gewalt) sowie Christian Goebel (Motor Musik) unterhalten, wie man heutzutage mit oder ohne Spotify Geld verdienen kann:

Wer 2024 über Geld und Musik spricht, kommt an Spotify nicht vorbei. Die Marktdominanz des Streaminganbieters wächst und damit auch dessen Einfluss auf die Geldbeutel der Musiker*innen.

Während die Musikindustrie in dem schwedischen Unternehmen den Heilsbringer sieht, der sie aus dem Tal der Napster-Tränen führte, kämpfen Künstler*innen selbst ums Überleben – auch weil der Streamingkuchen nicht gleich verteilt ist. Eine Dokumentation des BR verkündete den kuriosen Fact, dass die interviewten namhaften Künstler – von Peter Maffay über Balbina und Jennifer Rostock zu Rocko Schamoni – zusammen weniger Geld mit Spotify verdienen als „Regen“, ein Ambientsound von Regenschauern. Einschlafhilfe bigger als deutsche Musikszene.

„Erfolgreiche Acts verdienen Geld, unerfolgreiche nicht“, meint Christian Goebel, Geschäftsführer der Motor Songs GmbH. Aber auch „Es müssen eben Acts sein, die von jungen Menschen (mit viel Zeit) gehört werden, egal ob das nun BHZ , Edwin Rosen oder Mitski ist. Letztere erwirtschaftete beispielsweise mit einem einzigen Song im Januar 2024 circa 15.000 Euro pro Tag.“ Auf der anderen Seite stehen Künstler*innen, deren Hörerschaft sich nicht aus Schulkids oder Insomnia-Geplagten zusammensetzt.

Zwei musikalisch unterschiedliche Acts probten 2023 einen kleinen Aufstand. Die Berliner Noise-Rock-Band Gewalt hat ebenso wie die Singer-Songwriterin Stella Sommer beschlossen, Spotify keine kompletten Alben mehr zur Verfügung zu stellen, sondern den Streaminganbieter nur als Promo-Maschine für ihre Singles zu benutzen. „Seit wir das Album bei Spotify nicht mehr abspielen lassen, haben sich die Online-Sales verdreifacht. Durch die geringe Ausschüttung von Spotify pro Stream bedeutet das monetär eine Verhundertfachung der Einnahmen. Crazy World!“, so Patrick Wagner von Gewalt. Stella Sommer stößt in das gleiche Horn: „Es geht ganz pragmatisch darum, dass auch eine Indie-Produktion Geld kostet. Meine Platte muss also eine gewisse Summe einspielen, damit ich wieder eine neue aufnehmen kann. Die Streaming-Einnahmen sind so gering, dass sich die alte Idee, durch Streaming würden mich neue Hörer entdecken, einfach nicht mehr rechnet.“

Beide sehen erste Effekte dieses neuen Wegs, aber von einem gesunden Leben dank Streaming sind auch sie – im Gegensatz zur Musikindustrie – weit entfernt.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2024/07/05/kommst-du-mit-in-den-alltag-lebenswelten-von-musikern/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert