Eine Szene in „Back To Black“ macht so viel richtig, dass sie die Existenz des ganzes Films alleine rechtfertigt: Amy hängt in unserer liebsten alten Brit-Pop-Dive-Bar in Camden ab, dem „Good Mixer“. Ein Typ in bestem Fred-Perry-Polo spricht sie an, die beiden trinken, quatschen. Er geht zur Jukebox, wirft „Leader Of The Pack“ der Shangri-Las ein und gockelt singend durch die Kneipe. Sie bezeichnet ihn lachend als Ersatz-Doherty, aber in Wirklichkeit ist Amy hin und weg. Ich auch.
Diese Szene ist abgesehen von ihrem gelebten Interieur – es ist eben wirklich der „Good Mixer“, genau so düster, alkoholschwanger und waste your day-haft ist ja der Laden – deshalb so gold wert, weil sie in einer einzigen kurzen Szene erklärt, warum Amy so hart into Blake war, dass von da an Karriere bis Gesundheit nur mehr zweite Geige im Konzert ihres Lebens spielten. Und nur deshalb bleibt der weitere Verlauf des Films nachfühlbar.
Dass man „Back To Black“ für einige Aspekte dennoch kritisieren kann, wie eine doch zu angenehm-oberflächliche Darstellung einer Sucht oder eine wohl zu positive Perspektive auf manche Player, die Amys Fall ins Bodenlose zumindest nicht aufgehalten haben, muss sicher auch erwähnt werden.
Aber am Ende bleibt eben doch diese eine Szene im „Good Mixer“ – und ein Ausflug in den Zoo, während „Don’t Look Back Into The Sun“ der Libertines auf dem Soundtrack spielt.
Leider hat sich die Schreiberin nie richtig mit Amys Biografie beschäftigt und nimmt ausgerechnet eine Fehlinformation zum Anlass, den Film zu loben: Nicht Blake brachte Amy zu ihrem Musikgeschmack, es war genau umgekehrt. Dieser Film wirkt wie eine billige Telenovela, die sich einzig um einen Aspekt von Amys Leben dreht- ihrer Liebe zu Blake Fielder-Civil.
Von einem Musikerbiopic erwarte ich jedoch, dass er mir die Entwicklung der Künstlers und ihrer Musik erzählt. Amy Winehouse war witzig, hochintelligent, brutal ehrlich und gerade in frühen Jahren eine selbstbewußte junge Frau, die ihren eigenen Style und Musikstil entwickelte. Mit Back to Black erreichte sie den Ruhm, den sie nie wollte, und der u.a. später auch für ihren Tod verantwortlich war. Als Fan sah man entsetzt, wie ihre Bulimie, die Presse, ihre Drogen- und Alkoholsucht und ein Umfeld, dass sie nicht beschützte, sondern weiter ausbeutete (Mitch, ihr Vater, Raye Cosbert, ihr Manager, Blake Fielder-Civil, ihr (Ex)-Ehemann), sie in den Tod trieben.
Amy Winehouse besaß eine komplizierte Persönlichkeit, dem der Film nicht gerecht wird. Hier wird Amy als selbstbezogene und aggressive Frau gezeigt, die bei mir keinerlei Sympathie hervorruft. Alle Figuren spielen extrem eindimensional, die meisten haben noch nicht mal äußerlich Ähnlichkeiten mit den lebenden Personen. Außer Mitch Winehouse, der im Film, anders als im wahren Leben, hier immer an ihrer Seite ist. Marisa versucht wirklich, das Beste aus der Rolle zu machen, aber zu keinem Zeitpunkt, nahm ich ihr Amy ab. Auch ihre Gesangsleistung ist passabel, es ist gut, dass Amys Musik nicht verwendet wurde, es wäre ein Sakrileg gewesen. Allerdings klingen bei ihr alle Songs gleich (natürlich) und man merkt die Anstrengung bei ihrem Gesang. Wichtige Stationen von Amys Lebens werden einfach weggelassen (die Aufnahmen mit Mark Ronson in New York von Back to Black- immerhin der Titel der Films) oder die Dap-Kings (ihre Begleitband in den USA). Als sie die Grammys erhält, werden in ihrer Dankesrede einfach ihre Worte: für meinen Blake, der im Knast sitzt, weggelassen.
Und so geht es weiter, es wird verdreht, Zeiten geändert, wichtige Ereignisse falsch dargestellt, z.B. brachte nicht Blake sie zu den Girlgroups, sondern Amy entdeckte sie von sich aus, ebenso der ikonische Beehive, der von ihr kam, und nicht, wie im Film dargestellt, von ihrer Großmutter Cynthia. Blakes Verhaftung fand in einer anderen Wohnung statt usw. Dazu kommen noch die unzähligen Fehler in der Kleidung und den Schuhen, es wirkt einfach alles billig.
Die größte Frechheit findet am Ende des Films statt: Amy hatte Back to Black über Blake geschrieben, als er sie verließ und sie in eine Depression rutschte. Hier wird es so dargestellt, als ob der Song mit dem Tod ihrer Großmutter zu tun hatte! Der ganze Film zeigt, wie wenig Achtung oder Ahnung die Produzenten von Amy und ihrer Musik haben. Ich kann nur jedem den Film von Asif Kapadia: Amy- The Girl behind the Name empfehlen, der Amy so zeigte, wie sie war. Außerdem gibt es viele gute Konzerte von ihr auch auf Youtube wie das North Sea Jazz Festival (2004) oder Dingle (2006).