vonChristian Ihle 22.04.2025

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Der aktuelle Golf stiert wie eine ungesunde Mischung aus dem halbwachen Kater Garfield und einem verärgerten Tiefseefisch auf die Straße. Dem grimmigen Panik-Blick entspricht das innere Desaster. Unterm Blech sieht es aus wie am Berliner Katastrophenflughafen BER kurz vor der Eröffnung: Gerade schnitt der neue Golf beim „Auto Motor Sport“ – Langzeittest schlechter als alle anderen getesten Wagen ab, er wirkt nicht nur wie ein Bauhaus, sondern wie ein Geisterhaus auf Rädern. (…)

Das Auto wird zum Schwellkörper, entworfen von großen Egos für große Egos. Man könnte lange spekulieren, was das aktuelle Design etwa des riesigen BMW XM über das soziale Milieu und die Gesellschaft aussagt, die solche Autos schätzt; die Kühlerfront signalisiert weithin sichtbar, dass hier jemand kommt, der den öffentlichen Raum nicht als Begegnungs- oder Kommunikationsraum, sondern als Kampfzone voller Fressfeinde betrachtet, die er dank der Häcksleranlage in seiner Kühlerfont aber spielend vertilgen wird. (…)

Auch bei Mercedes ist nichts übrig vom Bild des souverän-entspannten Fahrers: War das Design früher zeitlos, gradlinig und klar, ein blechgewordenes Bild verantwortungsvoller Eliten in einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft, herrscht jetzt im Sindelfinger Design ein hysterisches, wie Tumminelli es nennt, „Art-déco und Rokoko“. Falsche, üppig verchromte Auspuffblenden, Powerdomes, wo gar keine Power ist, Swarowski-Steine in den Scheinwerfern – aus Mercedes Benz wurde Daimler-Bling.

Andere, kleinere Autos sehen dafür seltsam depressiv und erbost aus. Der Volkswagen ID2 schaut mit wulstigen Scheinwerferaugen in die Gegend wie ein unter Atemnot leidender Fisch, den man gegen seinen Willen aus den lichtlosen Regionen der Tiefsee an die Oberfläche zerrte. Will man so jeden Morgen angeschaut werden? (…)

Ein Elektroauto muss höher sein als ein normales Auto, weil die Batterien unter den Sitzen liegen; deswegen sieht, wenn man nicht aufpasst, ein Elektroauto wie der VW ID4 von hinten aus wie ein Schwein auf Stöckelschuhen – völlig unproportioniert und so, als habe man ein Auto auf ein anderes gestellt und das Ganze wie ein Sandwich zusammengepresst.“

(Niklas Maak in der FAZ)

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https://blogs.taz.de/popblog/2025/04/22/schmaehkritik-717-das-aktuelle-design-von-vw-bmw-mercedes/

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kommentare

  • Völlig korrekte Beobachtungen.

    Übrigens wundere ich mich, dass in dieser Rubrik meines Wissens noch nie die Tagebücher der Brüder Goncourt erwähnt wurden. Das ist der absolute Champions League-Goldstandard des Gepöbels.

    https://www.book2look.com/book/9783869712819

    Beim Rennen im Bois de Bologne. Die allerfeinste Gesellschaft, die schöne Welt, wie häßlich sie ist! Eine Sippschaft uneleganter, fast provinzieller Menschen, ermattet ohne die Vornehmheit eines ermatteten Geschlechts. Häßlich die Weibsbilder: die Häßlichkeit der Frau von Welt kennt nur wenige Ausnahmen. Die Kleidung, die Schminke und die Ungeniertheit der Dirnen, aber ohne den unübertrefflichen, der Prostitution eigenen Chic.

    Unter den Männern sehe ich Pereire: einen aus Batavia eingeführten schrumpeligen und leicht schimmeligen Affen; Lord Hertford, einen Mann mit einem Einkommen von achtzehn Millionen, mit einem Nachtschal als Krawatte um den Hals und Härte im kalten Porzellangesicht; Haussmann, der wie ein Disziplinarinspektor aus Versailles aussieht; Gramont-Caderousse, mit seinem à l’anglaise umgehängten Fernglas und seinen Rokoko-Posen, hält Madame de Persigny umschlungen und wirkt wie ein englischer Groom: halb glühender Gentleman, halb Komiker vom Palais Royal; Metternich sieht aus wie der Lakai eines vornehmen englischen Hauses.

    Die Weibsbilder? Kinderlose Frauen ohne Sanftmut, ohne mütterliche Ausstrahlung, ohne Becken, die Dürre der Unfruchtbarkeit vom Scheitel bis zur Sohle … Da ist die Fürstin Metternich, mit einer Trompetennase, die Lippen wie ein Nachttopfrand gestülpt, sehr bleich, ganz wie eine venezianische Maske in den Gemälden von Longhi; eine semmelblonde Madame de Pourtalès, die zufällig nicht sonderlich häßlich ist; die blonde grimassierende Fürstin Poniatowska sieht aus wie eine Katze, die Milch schleckt; die Fürstin de Sagan, ein Flittchen der großen Welt mit schiefer Habichtsnase, schaut drein wie eine große Ziege; Madame de Solms, jetzt Madame de Ratazzi, mit einem Haarkranz auf dem Kopf, Augen von verschossenem Blau und dem Lächeln einer tauben Tänzerin, am Arm ihres Mannes, dessen schäbige Haltung und Miene an einen Advokaten erinnern; Pommereux, der ehemals seine Frau ausgehalten hat, macht ihm Komplimente über seine elegante Aufmachung und sagt ihm, daß man ihn in Turin nicht wiedererkennen
    würde; Mademoiselle Haussmann, ein üppiges, ziemlich hübsches Mädchen mit den Augen eines Ochsen … So sieht sie aus, die Welt, die schöne Welt, die große Welt! All das ist dirnenhaft! Keine Spur von Vornehmheit oder von dem Charme einer anständigen Frau. Aufmachungen und Manieren, die beweisen, daß es keine feine Gesellschaft mehr gibt. Auf dem Rückweg begegnen mir schneidige Equipagen, Pferde mit Rosen hinter den Ohren, sämtliche Schnepfen, der ganze gehobene Schnepfenstrich von Paris. Maßgeblicher und triumphierender denn je, füllen sie diese Promenade der Reichen aus, besetzen und verstopfen den Bois de Bologne wie einst ihre Mütter den Palais Royal. Niemals hat man sich mehr zur Schau gestellt, mehr geprahlt, und nie hat es mehr skandalöse Vorfälle gegeben. Dem achtzehnten Jahrhundert sagt man es nach, aber damals gab es vielleicht zehn berühmte Huren. Heute ist es ein ganzes Volk, eine
    Welt, die die andere Welt der Frauen verschlingen wird und sie bereits schluckt.

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