vonChristian Ihle 07.05.2025

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Bemerkenswert profund recherchiertes Buch über Fußball und seine Verbindungen zur Popkultur. Beginnt in den Ur-Tagen in UK und arbeitet sich über die goldene Zeit der Fußballsongs in den 70ern bis zur Jetztzeit.

Gunnar Leue erzählt etliche Anekdoten, wunderbare („Den wohl witzigsten Beleg lieferte ausgerechnet Das aktuelle Sport-Studio, das am 1. April 1989 Fans und Bosse der Bundesliga mit einem einzigen Satz in helle Aufregung ver-setzte. »Ja, ich kaufe Gladbach«, verkündete niemand Geringeres als Elton John dem Reporter Rolf Töpperwien im Bericht zum Spiel Gladbach gegen Bayern. Eine Bestätigung des Deals gab es von Gladbachs Manager Helmut Grashoff obendrauf. Es war der beste Aprilscherz der Ligageschichte, über den am Ende sogar die Borussia-Fans lachen konnten.“) wie haarsträubende („Nachdem das Auftaktspiel gegen Polen nur 0:0 ausgegangen war, habe er (Franz Lambert, der offizielle Orgelspieler der Nationalmannschaft bei der Argentinien-WM 1978, Anm.) „Die Orgel angeschmissen und alle sangen ‚In einem Polenstädtchen, da wohnte einst ein Mädchen'“. Puh. Man schrieb das Jahr 1978 in dem die Jugend der Welt Rock und Pop, Reggae und Punk hörte und die deutschen Fußballnationalspieler trällerten ein Soldatenlied aus Wehrmachtstagen“).

Natürlich werden alle Fußballer-Platten vorgestellt, große Bildergalerie der Plattencover inklusive, aber auch die Einflüsse der Popkultur auf das Songgut der Kurve ausgiebig erklärt.

Ein Standardwerk zur Verschränkung von Popkultur mit Fußball – und eines, das einen wehmütig an die unschuldigeren Zeiten des heutigen Millionengeschäfts zurückdenken lässt, wie ungelenke Marketingversuche* nicht nur in Songform dem Fußball eine größere Breitenwirkung verschaffen sollten.

* ein schönes Beispiel noch:

„Am 12. August 1976 eröffnete »Zirkus Krohn« (Bild-Zeitung) die Bundesligasaison mit einem Showspektakel, das Fußballdeutschland noch nicht gesehen hatte. Das Hamburger Abendblatt schaute vorbei und berichtete unter der Überschrift »Blasmusik, Rosen und Fußball-Jux« fast wie von einem Rockkonzert: »›Hau rein, ist Tango!‹, säuseln einige Damen im Hintergrund, und ›Bodo Ballermann‹ alias Udo Lindenberg krächzt dazu von Fußball-Freveltaten. Die meist jugendlichen Fans auf den vollbesetzten Tribünen am Rothenbaum toben vor Begeisterung, das HSV-Showtraining hat seinen Höhepunkt erreicht. 20.000 Menschen hocken dicht beieinander, sie schwenken die leeren Pappbecher, in die vorher schäumendes Freibier gegossen wurde, und blicken mit strahlenden Augen ihren Fußball-Lieblingen innerhalb des Gitter-Areals zu.« Udo war nicht die einzige Stimmungskanone. Neben dem Luftwaffenmusikkorps 4, der Schwedin Siw Inger und dem Blödelbarden Mike Krüger hatte eine bayerische Trachtkapelle einen irren Auftritt: In der zweiten Halbzeit des Spiels »HSV-A« gegen »HSV-Extra« stand sie auf einer Bühne in der Mitte des Platzes und blies ihr Humtata. Derweil dribbelten die Kicker um sie herum, wobei sie die Musiker nicht mit dem Ball treffen durften, da sonst eine rote Karte und eine 1000-Mark-Spende für einen wohltätigen Zweck drohten. Der Sinn des schrägen Spektakels? Reklame für den Sponsor. Weiße, mit »HSV-Hitachi«-Krawatte bedruckte T-Shirts gingen als Geschenke an die jungen Fans. Außerdem Rosen, die von den Anhängern aber verschmäht wurden. Sie jubelten vor allem den Fußballstars und HSV-Fan Udo Lindenberg zu. Die Fußballkirmes endete im Platzsturm der trunkenen Fans, die Jagd auf Spielerautogramme machten, und mit dem nüchternen Fazit von Manager Krohn: »Die Spieler sind Angestellte des HSV und müssen lernen, etwas für ihre Anhänger zu tun, mit deren Geld wir sie bezahlen.« 40 Jahre später sagte Peter Krohn, dass er mit seiner einst belächelten Prognose, dass der Fußball ein großes Showbusiness werden würde, recht gehabt habe. Trotzdem habe er sich oft wie Goethes Zauberlehrling gefühlt: »Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los. Die totale Vermarktung ist mir jedenfalls zu viel.«

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https://blogs.taz.de/popblog/2025/05/07/youll-never-sing-alone-wie-musik-in-den-fussball-kam/

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