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Das ist eine mega-schwule Mütze, ruft eine Frau in der Subway-Station in meine Richtung. Sich dann den ganzen Tag beobachtet fühlen und sich nichts anmerken lassen. Überaufmerksamkeit des peripheren Sehens. Ist auf Dauer nicht gesund, aber vereinzelt wichtig. Wahrnehmung der Welt erweitern durch allumfassendes spüren, bevor der Verstand sich das Erlebte zu einem Krimi zurechtdenkt.
Eine wissenschaftliche Erfahrung ist anders als eine ästhetische. Erstere versucht die neutrale Beschreibung von dem, was gegeben ist. Eine ästhetische Erfahrung handelt von einer Solidarität mit dem, was gegeben ist. Im Coffeeshop, in dem ich darüber lese, sind auf jeden Tisch Sticker aufgeklebt mit einem Laptop, der von einem breiten roten Balken durchgestrichen wird.
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Ich trage eine weiße Bauchtasche, die schräg über meiner Schulter hängt, woran ich mich erst wieder erinnere, als ich mich im Spiegel sehe. Ich komme mir vor wie ein cultural appropriator, weil ich diese Art des Tagens nur von Jüngeren kenne. In Berlin wäre dieses Gefühl stärker. Entweder,
a) weil ich davon ausgehen kann, dass mich hier niemand kennt
b) weil es hier ohnehin selten so getragen wird
Das weiße Sweatshirt und die frisch geschnittenen Haare lassen mich irgendwie klonesk aussehen. Wie oft es schon vorgekommen ist in den ersten Wochen nach dem Friseurbesuch, dass mich Leute ansprachen, weil sie mich mit jemanden verwechselten oder ich sie an jemanden erinnerte.
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Die durchschnittliche Anzahl pro Tag, mit der jemand zwischen Screen und Tab switcht: 566. Echt jetzt. Steht in einem Magazin.
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Ich glaube, Leute mit frisch geschnittenen Haaren müssen sich ihre Individualität erst wieder zurück wachsen lassen. Bis dahin sind sie Abklatsch einer fixen Idee der Haareschneidenden. So ungefähr wie Politik eine Gesellschaft zurecht homogenisiert, um verallgemeinernde Aussagen zu treffen.