„Im Soho House fühlt sich die zugezogene Kreativwirtschaft der Hauptstadt wohl. Man ist unter sich und entwickelt gar Ur-Berliner Umgangsformen weiter: Von der Unfreundlichkeit können sich selbst die Einheimischen noch eine Scheibe abschneiden.
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Allerdings wurde ziemlich schnell klar, dass sich auch neurotische Neureiche und hirnlose Hipster hier wohl fühlen. Kein Wunder, denn Arschgeweih und Pali-Tuch sind im Soho-House herzlich willkommen, Schlips und Kragen dagegen unerwünscht. Markus Lüpertz kann also schonmal draußen bleiben.
Denn das Soho-House versteht sich – Kunst hin oder her – weniger als Einrichtung für Individualisten, sondern vielmehr als Club für Leute, die „nett, interessant, lustig“ sind, wie Member-Manager Chris Glass einmal angab, der von sich behauptet, einem Menschen seine Coolness sofort anzusehen – womit das Grundproblem des Hauses benannt wäre. Denn der Begriff „Kreativität“, von dem Nick Jones so schwärmt, ist im Soho-House äußerst dehnbar. Längst drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei den mittlerweile rund 2000 Mitgliedern nicht nur um Kreativpublikum vom Kurator bis zum Kabelträger handelt. Sondern es scheint, als verleihe man hier jeder aufgestrapsten Werbeagenturmieze und jedem PR-Streber mit Ray-Ban-Brille das Label „Kunst“, was in Berlin generell gerne mit „cool“ gleichgesetzt wird – und umgekehrt.
Anders ist es nicht zu erklären, dass die echten Künstler immer öfter das Weite suchen, um nicht mit schwäbischen Söhnchen reicher Eltern, die in Berlin irgendwas mit Medien machen, die Samtbänke teilen zu müssen. Die diese übrigens ohnehin gerne für sich alleine haben – wenn es nämlich um den eigenen Vorteil geht, ist ganz schnell Schluss mit nett, interessant, lustig. So konterten neulich zwei Bürschlein im American-Apparel-Look, die breitbeinig eine riesige Sitzfläche belagerten, auf die Bitte, etwas zur Seite zu rücken, allen Ernstes: „Ungern“, um dann entnervt hinterher zu schieben: „Nur der Fairness halber, kann sich eine von Euch bitte auf den Sessel setzen – ich habe nämlich gerne viel Platz.“ Das hätte selbst ein Originalberliner nicht hingekriegt.
Überhaupt scheint es im Soho-House, als müsse jeder dringend seine Zielgruppentauglichkeit unter Beweis stellen. Egal ob im überfüllten Fahrstuhl, am Balkongeländer oder in der Sauna: Jeder superspannende, megastressige Job wird, versehen mit penetrantem Name- und Jokedropping, so polternd aufgetischt, dass man am liebsten ins Drehbuch der Aufnahmestatuten eingreifen würde. Und längst hat man begonnen, Fitnesskurse zu meiden, da einige Mitglieder die Spiegelwand mit dem Trainingsprogramm für einen DSDS-Auftritt verwechseln – während an den Geräten oft dramatische Selbstbefriedigungsszenen ablaufen, gegen die McFit wie eine Unisportanlage wirkt.
(…) Mit einer panischen, geradezu spießbürgerlichen Angst, zu kurz zu kommen und nicht „Berlin“ genug zu sein, entpuppt sich ein Großteil der Vereinsmitglieder als provinzielle Kleingartenkolonie, die ihren Kreativdünger dermaßen dick aufträgt, dass die coole Spielwiese bald nur noch wie verbrannte Erde aussieht.“
(Gesine Borcherdt im Merian über das Members-Only-Etablissement Soho House in Berlin)
Inhaltsverzeichnis:
* Teil 1: Alle Schmähkritiken über Bands, Künstler und Literatur
* Teil 2: Alle Schmähkritiken über Sport, Politik, Film & Fernsehen