vonSchröder & Kalender 04.01.2014

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

 

***

Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

***

Wenzel Storch während der Dreharbeiten, Copyright: Wenzel Storch

Wenzel Storch während der Dreharbeiten 

 

* * *

 

Wenzel Storchs Buch über seine Filme und die Arbeit als Schriftsteller und Sammler präsentiert ein Potpourri, bei dem manchem das Lachen im Halse stecken bleibt. So, wie es nicht anders sein kann, wenn ein Autor, der 1961 geboren wurde, seine Jugend als Messdiener schildert: lakonisch, drastisch und kein bisschen weinerlich. Eine Adoleszenz in den 60er und 70er Jahren, von denen wir wegen Pop und ›Sexfront‹ eigentlich annahmen, dass der Mief der Adenauer-Zeit bereits verflogen gewesen sei. Mitnichten!, wie man in Wenzels buntem Bilderbuch sehen kann.

***

 

Trailer ›Glanz dieser Tage‹ von Wenzel Storch:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9I-ArvIDz2U[/youtube]

 

 

***

Wenzel Storch, so meinten die Medien, ist nicht nur ein »genialer Quartalsirrer« (Hamburger Abendblatt), sondern auch Deutschlands »seltsamster« (Der Spiegel), »tollkühnster« (Rolling Stone), »wagemutigster« (Szene Hamburg), »exzentrischster« (Geo), »extremster« (Sarah Kuttner) und »besessenster« (Die Welt) Filmemacher, außerdem »Deutschlands größter Märchenfilmer« (Frankfurter Rundschau).

 

Und nicht zu vergessen: »Deutschlands bester Regisseur«, so stand es in der Titanic. Später hat sich Hans Mentz, der Humorkritiker, noch einmal verbessert, seitdem ist er: »der beste Regisseur der Welt«. In dieser Elogensammlung fehlt: Er ist ein Künstler, der aus Sperrmüll, alten Landmaschinen und überbordenden fantastischen Kulissenmalereien für seine Filme Ausstattungen schuf, die eines eigenen Wenzel-Storch-Museums würdig gewesen wären.

 

Leider, leider, ist das jetzt alles dahin! Aber wir haben ja seine Filme auf DVD und nun dieses Buch, das im Martin Schmitz Verlag soeben erschienen ist.

 

Cover Wenzel Storch, Die Filme, Martin Schmitz Verlag

336 Seiten, gebunden, über 700 farbige Abbildungen, Zeichnungen und Skizzen

 

 

***

 

Wenzel hat aus Gesprächen, die er mit unterschiedlichen Partnern führte, einen autobiografischen Cut-up aus Fragen und Antworten collagiert. Das liest sich dann so. Frage: »Wirkt dein letzter Film ›Die Reise ins Glück‹ auf Zuschauer immer noch derart verstörend, oder sind die Leute mittlerweile härter im Nehmen? Ich kann mir gut vorstellen, dass zum Beispiel die Szene, in der zwei blasenschache Minister kleine Kiner anpissen, auch heute noch für heftige Reaktionen sorgt.«

 

Wenzel Storch antwortet: »Es ist natürlich überhaupt nicht meine Absicht, die Leute vor den Kopf zu stoßen. Das ist ein schöner Nebeneffekt, der sich mitunter einstellt. Bei den Festivalaufführungen in den USA und in Kanada waren viele darüber schockiert, dass ihnen relativ heftige Szenen so niedlich verpackt untergejubelt wurden. Etwa als die Riesenschnecke die kleine Kirche fickt und in den Beichtstuhl abspritzt – da haben einige wie gelähmt im Kinosessel gesessen und waren zusätzlich dadurch verunsichert, dass die Szene so lieb und nett daher kommt. Dort wurde ›Die Reise ins Glück‹ vor allem als Märchenfilm gesehen, von dem Kinder besser die Finger lassen sollten. Während hierzulande der Film ja lustigerweise ab zwölf Jahren freigegeben ist. Der Trailer ist sogar frei ab sechs. Und in der ›taz‹ konnte man zum Kinostart die schöne Bemerkung lesen, dass selbst die Pinkelszenen ›seltsam anheimelnd und gemütlich‹ wirken. Aber klar, es gibt natürlich immer wieder Zuschauer, die sich speziell über die Pissereien tierisch aufregen. Und was das allgemeine Feedback angeht, so spaltet der Film die Leute ziemlich deutlich in zwei Lager: Die einen blicken amüsiert und staunend auf die Leinwand, die anderen haben das ungute Gefühl, als würde ein Panzer über sie hinwegrollen. Was ja aber auch nicht das Schlechteste ist.«

 

 

Und wir fragen nur noch: Wohl noch nie etwas vom polymorph-perversem Kind gehört? Und dass die Beispiele Legion sind, in denen Filmer und Künstler Sigmund Freuds Theorie von der infantilen Sexualität entweder vorausgesehen oder in ihre Arbeit integriert haben.

 

Schneckenschiff, Copyright: Wenzel Storch

Das Schneckenschiff aus ›Die Reise ins Glück‹

 

***

(WS / BK / JS)

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2014/01/04/ein-filmemacher-sui-generis/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert