vonSchröder & Kalender 18.04.2021

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert auf halbmast in östlicher Richtung.
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In unserem Teil der Welt, der immer noch vor Opulenz überquillt, ist dieses Kochbuch eine Aufforderung zur Besinnung und eine Anleitung zu gesundem Essen. Die über 300 Rezepte gestatten einen Blick in die Kochtöpfe, Erdmulden, Dampfkörbe und Lehmöfen der Welt. Man meint den Duft dieser einfachen Gerichte zu schnuppern, wenn man nur ein paar Seiten gelesen hat. Das Buch enthält aber auch einen umfangreichen ethnologischen Essay, der den Hintergrund dieser aus Mangel und jahrhundertelanger Erfahrung geborener Rezepte beleuchtet. Die Bedeutung der Nahrungsmittel von der Kokospalme bis zur Meeresalge wird erläutert. Wer Kichererbsen auf rumänische Art oder ›Mauren und Christen‹ probieren möchte (Reis mit schwarzen Bohnen und Tomaten), der muss nicht nach Kuba reisen, sondern kann sich derlei exotische Gerichte künftig selbst zubereiten. So tut man etwas für das gute Gewissen, aber auch für die Gesundheit.

Huguette Couffignal, ›Die Küche der Armen‹, Orig.-Titel: ›La Cuisine des Pauvres‹. Mit einer Einleitung von Robert Morel. Aus dem Französischen von Monika Junker-John und Helmut Junker. Leinen, 384 Seiten, März Verlag 1977 (nur noch antiquarisch erhältlich).
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Es wird immer Arme geben. Wir erklären das mit der Gesellschaft, dem Eigentum, dem Klimawandel, der Bevölkerungsvermehrung, der Ungerechtigkeit, der Unwissenheit, der Dummheit, der Gemeinheit, gelegentlich sogar dem Stolz. Gleichwohl wird es immer Menschen geben, die es ablehnen, das Leben als Tanz um den monströsen Götzen eines vergoldeten Wanstes anzusehen. Menschen, die die Einfachheit schätzen, welcher Religion sie auch angehören mögen, oder die Armut als geistige Übung kultivieren, endlich zahlreiche junge Menschen, die heute das unvermittelbare Leben wollen. Diesen und jenen anderen Armen sind die Zeugnisse gewidmet, die Huguette Couffignal in diesem Buch gesammelt hat und die einen anderen Sinn haben als raffinierte Speisekarten, Sternelokale und gastronomische In-world-guides.

›Die Küche der Armen‹ stellt also nicht nur 300 Rezepte aus aller Welt vor, von der birmanischen Suppe bis zum russischen Milchkaramel, sondern zeigt auch die Hintergründe: Man lernt viele Phänomene der Kochkultur verstehen, zum Beispiel: »Es wird nun auch verständlich, warum sich die Chinesen fast ausschließlich von Pflanzen ernähren. Man muss sich die Tierzucht praktisch verbieten, wenn man bedenkt, was die Erzeugung einer tierischen Kalorie im Vergleich zu einer pflanzlichen Kalorie kostet.«

Wie gründlich auf die einzelnen Grundnahrungsmittel eingegangen wird, zeigt das Zitat aus dem Kapitel ›Palmen‹: »Die offene Kokosnuss enthält, wenn sie fünf Monate alt ist, gut zwei Trinkgläser eines durchsichtigen, milden, frischen Saftes, der reich an Vitaminen und Mineralien ist. Dieses sehr reine und sterile ›Wasser‹ wurde im Pazifischen Krieg von Amerikanern und Japanern gleichermaßen als medizinischer Ersatz für eine Glukoselösung geschätzt, weil man es ›intravenös‹ spritzen kann.«

Oder die Insekten: »Schon Moses zählt im Leviticus (3. Buch Moses) verschiedene Arten von eßbaren Heuschrecken auf, die der Heilige Hironymus mit lateinisch ›locusta‹, ›bruchus‹, ›ophimacus‹ und ›attacus‹ übersetzt. Die Evangelien des Markus und Matthäus erzählen von Johannes dem Täufer, er habe sich in der Wüste von Heuschrecken und wildem Honig ernährt. Die Bezeichnng ›Entomophage‹ ist griechischen Ursprungs, denn die Athener, die mit Abscheu von den ›Barbaren, den Heuschreckenessern‹ sprachen, knabberten ihrerseits mit Wonne gerillte Zikaden …«

Kapitel:
Einleitung
Die Armen
Die Nahrungsmittel der Armen (z. B. Kakteen, Insekten, Algen u.v.m.)
Die Rezepte:
Getreide und Mehl
Suppen
Pflanzen und Gemüse
Fleisch, Fisch und Käse
Getränke und Nachspeisen

 

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(HC / BK / JS)

 

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