vonFabian Schaar 31.08.2021

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Ein Blog zu Politik, Gesellschaft und dem Dazwischen: Vielleicht ändert sich ja doch noch was?

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Respekt, das scheint das Motto der SPD im Wahlkampf zu sein: Spitzenkandidat Olaf Scholz wird nicht müde, das bei jeder Gelegenheit, immer und immer wieder zu betonen. „Respekt für Dich“ plakatiert die SPD auf Wahlplakaten, Respekt ist das, was Scholz beim Kanzlerkandidat*innen-Triell zum Schluss betont.
Mir stellt sich einmal mehr die Frage: Ist das glaubhaft, ist das ehrlich? Wenn es nach den vielbeschworenen Wahlumfragen geht, scheinen das viele so zu sehen. Die SPD liegt vorn, der Abstand zur Union und insbesondere zu den Grünen vergrößert sich zusehends.
Ich gehe nicht davon aus, dass sich die SPD ihre Wahlplatzierung hart erkämpft hat, vielmehr war Scholz dann still, wenn sich Laschet oder Baerbock Patzer leisteten. Übersetzt: Er war ständig still. Die SPD fällt nicht auf, sie steht nicht zur Debatte. Olaf Scholz ist der, der zur Debatte steht.

Diskutiert wird in diesem Wahlkampf nicht über Inhalte, diskutiert wird über Personalien – zumindest in den meisten (Massen-)Medien. Festhalten lässt sich jedenfalls, dass sich Scholz im Aufwind befindet, oder zumindest Baerbock und Laschet im mehr oder weniger steilen Sturzflug. Fraglich bleibt hingegen, ob die Platzierungen in den Umfragen gerechtfertigt sind.

Respekt ist ein schön klingendes Wort. Wer wird nicht gern respektiert? Respekt ist natürlich Grundbestandteil einer funktionierenden, demokratischen Gesellschaft. Die SPD hingegen nutzt das Wort anders. Ja fast inflationär, so scheint es.
Respekt – das sagt sich leicht, und gerade bei einer Partei, bei der der konservative Kanzlerkandidat und das, naja, zumindest ansatzweise sozialdemokratische Wahlprogramm nicht zusammenpassen, braucht es einen anpassbaren, biegsamen Begriff, auf den niemand die SPD festnageln kann, sollte sie nach der Wahl einmal mehr jegliche soziale Züge ablegen.

Die SPD ist und bleibt die Partei, die die Hartz-Reformen und jahrelange Merkelregierungen forciert, mitgetragen und/oder bejaht hat. Die SPD ist und bleibt eine Partei, die vor der Wahl links blinkt und in Regierungen rechts abbiegt.

Wenig glaubhaft wirkt ein halbwegs soziales Wahlprogramm bei einem Kandidaten, für den jahrelang die schwarze Null der Maßstab aller Dinge war. Sicher nutzt Scholz seine Regierungserfahrung als Vizekanzler, Finanzminister und ehemaliger Hamburger Bürgermeister – fragt sich bloß, bei welchen Wähler*innen.
Wenn nicht gerade Respekt rauf und runter skandiert wird, ärgern sich viele SPDler*innen (ich bin mir unsicher, ob die Bezeichnung Sozialdemokrat*innen angebracht wäre) über die Regierungsjahre mit der Union.

Klar, über die letzten Regierungsjahre kann mensch sich ärgern, dass sollte mensch sogar, aber von Seiten der SPD scheint es nunmal wenig Substanz zu haben. Wenn Scholz nun aber Regierungserfahrung mit der CDU zu seinem Vorteil nutzen will, sollte er höchsten bei denen Punkten können, die sich mit der Regierung unter Führung der Union zufriedengeben können – oder aber bei denjenigen, denen „staatsmännisches“ Auftreten und der Kampf der Personalien wichtig ist, nicht aber politische Inhalte.

Die SPD fordert die Ersetzung des meiner Ansicht nach menschenverachtenden Hartz-IV-Systems und möchte es durch ein Bürgergeld ersetzen. An sich klingt das nach Fortschritt, von einer Partei, die das Ganze allerdings eingeführt und in ihren gerade erst vergangenen Regierungsjahren nicht angepackt hat, jedoch eher widersprüchlich.

Wer Respekt und soziale Politik sucht, der wird bei der SPD nur sporadisch fündig, vor allem vor der Wahl. Ein Kandidat, der aktiv gegen die Aufarbeitung des CumEx- und Wirecard-Skandals gewirkt hat, und sei es nur durch (unglaubwürdige) „Amnesie“ verkörpert beim besten Willen keine Politik des Respekts, und hat in den letzten Jahren auch nicht viel dafür getan: Klar, einige soziale Projekte konnten durchgesetzt werden, und ja, die Union war hierbei sicher der größte Bremsklotz. Für eine Politik der schwarzen Null und eine Situation, in der wenige Familien soviel Vermögen besitzen, wie die untere Hälfte der Bevölkerung, trägt Scholz viel Verantwortung in seiner Position als Finanzminister.

Wer die Arbeit in Untersuchungsausschüssen erschwert oder wie im Falle Wirecard tief in den Skandal verwickelt ist, strahlt keinen Respekt aus, im Gegenteil. Wer eine Regierung mitgetragen hat, deren Klima- und Sozialpolitik immer und immer wieder unzureichend war, macht sich – zumindest bei mir – nicht sympathischer.


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