vonDetlef Berentzen 22.12.2011

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Es ist lange her. Aber es war. Einmal nur. Da klingelte es, und er stand vor meiner Kreuzberger Altbautür, der blonde Junge aus dem Hinterhaus, ein schwarz gelederter Punk, Marke „Sex Pistol“, mit einer Flasche Wein in der Hand, einigermaßen keuchend. Es war Abend, noch dazu der heilige, und ich hatte mich gerade in meiner großen Leere eingerichtet. „ Ich halt’s zuhause nicht mehr aus“, stöhnte der Junge, „kann ich kurz reinkommen?“
Sein Vater war der Hauswart, ein unheiliger Trinker, und die Mutter war längst irgendwo verloren gegangen. Der Alte schlug ihn, täglich, war auch jetzt schon wieder breit und wartete auf seine Zechkumpanen.  Derweil schwang er, wie gewohnt, die Fäuste. Doch heute war der Heilige Geist in den Jungen gefahren, hatte ihm den einen oder anderen mutigen Weihnachtsengel zur Seite gestellt und ihn mit mächtiger Stimme brüllen lassen: „Mich schlägst Du nie wieder!“. Dann war der Junge, die jauchzenden Engel im Schlepptau,  aus all dem Elend fortgerannt. Quer über den Hof, dann die Treppe rauf.

Und nun ist er hier. Nicht mehr vor der Tür, jetzt sitzt er schon auf dem Sofa und dreht eine Samson: „Ey, Alter, das war Rettung in letzter Minute!“ Dann atmet er endlich aus. Und ich finde eine Kerze, die ich ohne den Jungen nie angezündet hätte. Und dann noch eine. Dazu der rote Wein und ein paar Schmalzstullen. Die ganze heilige Nacht lang haben wir geredet, über Väter, Mütter, den ganzen Suff im Lande und überhaupt. Auch darüber, daß selbst eine Krippe und jede Menge Könige aus dem Morgenland nicht davor schützen, am Ende doch noch gekreuzigt zu werden.

Doch die Kreuzigung würde erst später kommen, auch das wussten wir. Also luden wir schnell noch die wartenden Engel auf ’ne Hostie ein und hatten eine Menge Spaß zusammen. Und darum geht es doch an Weihnachten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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