vonDetlef Berentzen 27.01.2012

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Der Buchumschlag ist vielfach zerrissen, die Seiten des Buchs voller Notizen, Merkzettel hie und da: Bücher wie dies wollen gebraucht sein, sind Freunde, begleiten mich über Jahrzehnte und wenn sie besonders sind, können sie mich immer wieder und heute noch Staunen machen. Nehmen wir also den Sammelband „Illuminationen“ mit Prosastücken von Walter Benjamin. Darunter auch „Haschisch in Marseille“: „Versailles ist dem, der Haschisch gegessen hat, nicht zu groß, und die Ewigkeit dauert ihm nicht zu lange.“ Dieser Satz und andere sind mir geblieben, haben immer wieder auf sich aufmerksam gemacht, seit ich damals das Buch kaufte, 1969. Nicht nur „Deutsche, trinkt Deutsches Bier“ in  Benjamins „Einbahnstraße“, sondern eben auch Haschisch mit seinem „kanonischen Zauber“: „Der Rausch setzt sich in der Nacht mit schönen prismatischen Rändern gegen den Alltag ab“.

Gegen all die Ödnis, das Widerliche und Unbezwingbare des normierten Alltags bleibt „Rausch“ ein Thema. Und als ich neulich meine Buchregale abschritt, die Buchrücken studierte und die AutorInnnen wichtiger Werke sich noch einmal  als aktuell vorstellten, war mir sehr schnell klar, daß da kaum einer der großen und wichtigen (Vor-) Denker ist, der nicht mitunter auch berauscht unterwegs war. Oder gar wie Nietzsche den Rausch zur Bedingung von Kunst machte. Selbst dem „Dreiliterphilosophen“, dem Welt- und Weingeist Hegel, wird nachgesagt, er habe einer Schnupftabakmischung gefrönt, die mit “Cannabis indica” versetzt war.

 

Noch unter den Vordenkern von Hippies und 68ern gab es LSD-Freaks und Haschrebellen. Der angeblich bewußtseinswerweiternde Umgang mit Haschisch, Alkohol und anderen Rauschmitteln gehört bis heute zum Alltag von nicht wenigen Philosophen und sonstigen Geisteswissenschaftlern. Hielt nicht gerade neulich ein Professor in Bamberg einen Vortrag zum Thema “Rausch und Erkenntnis”? Und noch dazu im eigenen “vinosophischen” Weinlager? Und traf ich nicht vor zwei Monaten ein paar ziemlich erfolgreiche Denker, die ganz selbstverständlich in ihrem Archiv den „Joint“ kreisen ließen? Und sind nicht Scharen von Neurologen in diversen Labors unterwegs, um neue Drogen unters angeblich bedürftige Volk zu bringen; brain enhancement, ganz in der Tradition von „Mothers Little Helper“!?

Es war also Walter Benjamin, der mich auf die Drogen-Spur historischer Denker setzte, mich Philosophen nach Rausch und Ritualen fragen  und über das Drogendesign der Zukunft nachdenken ließ. Als Klaus Burger mir noch die passende Musik zu all den Geschichten schickte, wollte ich sie auch erzählen. Für SWR2. Just listen!


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