vonDetlef Berentzen 08.05.2012

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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„Unablässig stürzen Informationen, Bilder und Klänge auf die Mediennutzer ein und setzen sie dauernden Schocks aus. Immer kürzer werden die Botschaften, die auf diese Weise übermittelt werden, immer fragmentarisierter die Zeiten der Wahrnehmung, und immer nachhaltiger wird ihr Vermögen zerstört, Zusammenhänge herzustellen. Dieser Entwicklung wird das Kulturradio Widerstand leisten müssen. Es muss eine perforierte Wahrnehmung aufgreifen und ihre Verletzungen durcharbeiten.“ (Hans-Joachim-Lenger)

Kulturradio. Widerstand.  Voilà, dann mal ran und all die „Verletzungen durcharbeiten“! Es gibt genug davon. Das hört sich grausam an, aber irgendwie auch sensibel und hat den alten Sigmund Freud auf der zukünftigen Tagesordnung  – „Erinnern. Wiederholen. Durcharbeiten.“ Wiederholt wird ja überall genug, das weiß auch Hans-Joachim Lenger: In Zeiten, in denen „Radio-Retter“ die öffentlich-rechtliche Bühne entern müssen, ist Gefahr im Verzuge. Und dennoch braucht es mehr als die Sehnsucht nach dem alten Status Quo. Der Hamburger Philosoph postuliert in seinem Beitrag für das aktuelle Medienmagazin „Mehrspur“ (SWR2) auch folgerichtig ein Funkhaus, das „Laboratorium“ ist, das sich traut, Grenzen erforscht, verrückte Diskurse anzettelt, sich nicht mehr als „Begleitmedium“ begreift – so könnte es gehen. Es gilt Utopien zu entwickeln, zu antizipieren, vorauszudenken. Die Summe der Reflexionen, die Wolfram Wessels „Mehrspur“ inzwischen zum Thema „Zukunft des Radios“ produziert hat, liefert dafür  jede Menge Animation. Jetzt müsste nur noch jemand in den Anstalten zuhören. Folgenreich. Doch keine Bange, alles ist in Bewegung….

…wohl auch die Zusammenarbeit mit der taz-Medienredaktion. Da wird nicht mehr so recht kooperiert, irgendwie alles im Sande verlaufen und überhaupt: Das kennen wir. Die taz ist so. Manchmal. Wie damals, in den 60ern, jene Gruppe mit dem programatischen Titel „Unverbindliche Richtlinien“. Doch das macht gar nichts. Wessels ist schlau und holt sich über die Hintertreppe eine bunte EX-Tazzler-Truppe ins Studio: neulich noch Tom Schimmeck, diesmal Wiglaf Droste, ein wilder Denker der ostwestfälischen Sorte. Wie Schimmeck sollte auch er seine Radiobiographie ausbreiten, hat er aber nicht getan.

Stattdessen schwärmt er für das Frankfurter „Radio X“. Kennen Sie nicht? Sollten sie aber! Weil es ein verdammt freies Radio ist, ein munteres improvisiertes, produziert im Hinterhof vom Theaterhaus, gleich gegenüber vom Arbeitsamt, ganz in Mainnähe und schwer metropolitan. Radio X, das ist für Wiglaf wesentlich „Benny“, der junge Kerl, der ihn per Telefon interviewte: „ohne Geschleime, ohne mediales Eierkraulen“, ein X-Moderator also, „der sogar Günter Grass hätte heilen können!“ Und das ist nicht wenig.

Natürlich gibt’s im aktuellen podcast  noch mehr Tonspuren zu hören: „Als ich vor 5 Jahren zum Guardian stieß, waren wir zwei audio-Produzenten, die damals Newsshows produzierten.  Seither sind wir zu einer Multimedia-Abteilung mit 35 Leuten herangewachsen. Wir produzieren 10 Sendungen pro Woche, haben 4 Studios und 2 Schnittplätze und 8 Vollzeit-Mitarbeiter, die nur fürs Radio produzieren!“ Der alte Guardian also,… nichts mehr davon Ein Multimediaunternehmen, das der BBC auf die Tonspur rückt –  Francesca Panetta leitet das „Guardian Audio Team“ und lässt die Debatte um das TagesschauApp vergessen. Gut so. Außerdem noch Hörspielnewz und dies und das. Also einfach mal podcasten und die alten Verletzungen durcharbeiten! Just listen!

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