vonDetlef Berentzen 28.02.2014

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Die heutige Weltlage ist geeignet, dem Existentialismus mit seinem Festhalten am handlungsfähigen Ich eine Renaissance zu vermitteln. Der Mensch muss heute angesichts der Bedrohung der Welt durch atomare Waffen, kriegerische Auseinandersetzungen und  fortschreitende Umweltzerstörung sein neues Wesen als „Retter der Welt“ schaffen. Das ist es, was er werden kann: Er kann Weltzerstörer oder Weltretter werden. Für seine Welt trägt er die volle Verantwortung. (Lutz von Werder)

Immer wieder sonntags, am Vormittag: frau und mann treffen sich im „Philosophischen Café“ der Berliner „Urania“. Kein exklusiver Club versammelt sich hier, kein „Philosophisches Quartett“, nein, es sind oft genug um die 200 Gäste, die kommen, um ihr Leben zu bedenken. Ganz im Sinne eines Martin Heidegger: „In das, was Denken heißt, gelangen wir, wenn w i r  s e l b e r denken!“ Aber wer will sich das heute noch leisten?:  Sich selbst nachspüren, eigene(!) kritische Gedanken zur Lage äußern, dabei mit anderen in die Welt philosophischer Fragestellungen eintauchen, allemal angeleitet von einem weißbärtigen Animateur wie dem altgedienten Berliner Philosophen Lutz von Werder (s. Foto), dessen „Philosophisches Café“ im Laufe der Jahre eine Menge Stammgäste bekommen hat. Was übrigens kein Wunder ist:  der Mitsiebziger, auch ein Doktor der Soziologie und Pädagogik, lässt Philosophie praktisch werden, macht ihre Weisheit für den Alltag nützlich! Für die Auseinandersetzung mit all dem Absurden, das wir jeden Morgen im Spiegel sehen und das uns zunehmend anekelt.

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Heute, in einer Situation, wo kaum noch Zukunft aufscheint, wo Finanzkrisen düstere Sackgassen produzieren, Depression als „Volkskrankheit Numero Eins“ gilt, wo fast überall Kontrollverlust und Ohmacht herrschen, allemal verborgen hinter dem grellen Schein eines rund um die Uhr stattfindenden Medienspektakels, in einer Zeit also, in der Wirklichkeit scheinbar nur noch virtuell inszeniert wird, verliert das Ich seine Handlungsfähigkeit. Also macht es sich auf die Suche: Nach neuem Halt. Nach eigenem Sinn. Nach Zukunft. Mitten in dem absurden Theater von flimmernden Monitoren und selbstverwalteten Kühlschränken wird so etwas wie „Heimat“ gesucht. Die Bloch’sche Utopie dessen, was immer nur am entfernten Horizont aufscheint, war immer wieder auch Gegenstand in Lutz von Werders Philosophischen Cafés, die in all den Jahren mehr als 6000 Gäste verzeichnen konnten. Die Fragen, Antworten und Erkenntnisse seiner Gäste hat der Philosoph jetzt zusammengetragen, verdichtet, analysiert und in seinem neuen Buch mit einem Titel versehen, der gleichzeitig als Forderung daherkommt: „Existentialismus jetzt!“ Und die Haltung eines Albert Camus transportiert: „Ich empöre mich, also sind wir!“ Interessant genug. Ich habe diesen Versuch einer neuen Existenzphilosophie begleitet und daraus für SWR2 ein Hörstück gemacht…..Écoutez, Mesdames, Messieurs!

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