vonDetlef Berentzen 29.07.2014

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Ich bin der arme Kunrad/und komm von nah und fern,/von Hartematt und Hungerrain/mit Spieß und Morgenstern. Ich will nicht länger sein der Knecht,/leibeigen, frönig, ohne Recht./Ein gleich Gesetz, das will ich han, vom Fürsten bis zum Bauersmann./Ich bin der arme Kunrad,/Spieß voran,/drauf und dran!

Das  Theater Lindenhof. Wieder mal. Ob sie mit Schubert über den Melchinger Himmelberg zogen, mit Hölderlin durch Tübingens Gassen (1986), sie stürmten à la mode Molière die Öffentlichkeit, brachten Geschichte und Geschichten an ihre Orte zurück, erregten Aufsehen, rührten an, bewegten. Und jetzt: „Der arme Konrad“ von Friedrich Wolf. Der Aufstand (1514) des gemeinen Mannes und seiner ebenfalls gemeinen Frau gegen das hundsgemeine Regime des Herzog Ulrich. Der revolutionäre Haufen der Lindenhöfler tobt auf der Tübinger Neckarinsel, gerad‘ gegenüber von Hölderlins Turm – draußen also, v o r den Toren der Stadt, weil so eine grün regierte Neckarmetropole lässt beileibe nicht jeden hinein:

„Nicht auf den Marktplatz, nicht auf das Schloß, nicht in den Spitalhof, nicht in den Pfleghof. Ein Konglomerat von Gründen, umfangreich und vielschichtig. Ein Leitzordner kann sie kaum fassen. Schade. Also bleiben wir vor den Toren der Stadt, wo wir Fahrenden schließlich auch hingehören!“ (Stefan Hallmayer, Intendant Theater Lindenhof).

Holla! Ausgerechnet den schwer engagierten Akteuren eines Schauspiels, das gegen Arroganz und Willkür der Herrschaften auftritt, wird der Zutritt in jene Stadt verwehrt, in der vor 500 Jahren dem Herzog Ulrich der „Tübinger Vertrag“ abgetrotzt wurde, um endlich ein wenig mehr Freizügigkeit und Mitsprachrechte durchzusetzen. Danach wurde dann wieder fröhlich gefoltert und geköpft.

Es stimmt schon: „Die Kunst muß dem Bürger im Nacken sitzen, wie der Löwe dem Gaul.“ Also macht Euch gemein mit dem fahrenden Volk! Auf zur Neckarinsel! Nichts ist vorbei. Und alles anders!

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