Vielleicht ist es das, was Franz Jung heute so besonders macht: dass er radikal NEIN sagt. (Armin Petras, Stuttgart)
Eine „Revolutions-Revue“ soll es werden, meinte Hanna Mittelstädt (Edition Nautilus) bereits im letzten Jahr, darunter macht sie es nicht, das braucht es, um ihn aus den Schatten zu holen: Franz Jung, 1888 -1963 (s. Foto). Und es ist tatsächlich an der Zeit, all das elend durchgestylte Postfaktische mit Hilfe dieses wunderbar Verrückten zu schleifen: „Mehr Tempo!, Mehr Glück! Mehr Macht!“, …genau wie er es proklamierte, der Abenteurer und Revolutionär. Und war ja damals auch in Kontakt mit Erich Mühsam, Oskar Maria Graf, Karl Korsch, John Heartfield und dem Psychoanalytiker Otto Groß, doch hat das leider für ein nachhaltiges Leuchten in der literarischen Geisterwelt nicht gereicht, auch dass sein erstes Buch aus dem Jahre 1912 als expressionistisches „Trottelbuch“ daher kam, hat den Geisterfahrer Franz Jung, der sich einst fröhlich im „Club DADA“ herumtrieb, nun ganz und gar nicht berühmt machen können.
Kaum jemand dürfte sich noch daran erinnern , dass Jung es war, der mit einigen anderen revolutionären Genossen nicht nur stürmische und drängende Zeitschriften herausgab, sondern in Piratenmanier gleich einen kompletten Dampfer kaperte(!), um sich 1921 Richtung Murmansk einzuschiffen, wo er mit Lenin und Bucharin über die Aufnahme seiner ziemlich anarchistischen „Arbeiterpartei“ in die Reihen der „Kommunistischen Internationale“ verhandeln wollte – was selbstverständlich nicht glückte und ihm bei seiner Rückkehr nach Deutschland den Knast bescherte. Zum Glück, denn eben dort schreibt er sie auf, formuliert sie: „Die Technik des Glücks“, will den Hass aus der Welt schaffen, gegen die elende Vereinzelung des Menschen antreten und behauptet keck: „Jeder Widerspruch enthält ein Glücksgefühl!“ das formuliert ausgerechnet einer, dessen Autobiographie den Titel „Der Weg nach unten“ (Arbeitstitel: „Torpedokäfer“) trägt.
Das Glück liegt also im Widerspruch ( Jung, Camus u.a.)! Genau das, meint die fröhliche Anarchistin Hanna Mittelstädt, gilt heute noch! Nicht umsonst hat sie das gesamte Werk des Franz Jung, seine Theaterstücke, seine Aufzeichnungen, Artikel, Schriften, Romane, sein ganzes „Gedankenplasma“ gemeinsam mit Lutz Schulenburg in der Edition Nautilus verlegt. Doch, wie gesagt, das allein reicht Hanna nicht. Die Sätze müssen endlich aus den Büchern springen, auf die Bühne und sich als „Revolutions-Revue“ präsentieren – so ziemlich hundert Jahre nach der Oktoberrevolution, morgen (!) also, beginnt die Tournee mit dem Titel „Torpedokäfer – aus dem abenteuerlichen Leben des Franz Jung“ im Hamburger Thalia-Theater. Corinna Harfouch, Iris Boss und Jörg Pohl werden live und szenisch on stage sein, begleitet von revolutionären Klängen (Coltello/Frenz) und bewegten Bilder (Petrovic) – „Inspiration und Verstörung“ sind angesagt. Allons enfants! Kapern wir das Theater!